Wir nehmen als Bäuerinnen und Bauern das Grundgesetz ernst und wollen Demokratie leben. Auch deshalb übernehmen wir die Verantwortung für unsere Höfe. Wir erwarten, dass die EU-Kommission, die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesländer auch ihre Verantwortung wahrnehmen und mit uns zusammen wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen schaffen, damit wir die Existenz unserer Höfe sichern können.
Es ist zu begrüßen, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) marktpolitische Rahmenbedingungen setzen und Art. 148 GMO anwenden will. Damit soll eine Vertragspflicht mit Preis-Mengen-Bezug vor Lieferung eingeführt werden. Vollumfänglich und wirksam ausgestaltet ist das ein erster Schritt für eine stärkere Marktstellung für Milcherzeugerinnen und Erzeuger. Es ist dringend notwendig, dass sie aus ihrer defensiven Marktposition der Restgeldempfänger rauskommen.
Es kann nicht sein, dass sie ihre Milch liefern und erst im Nachhinein erfahren, wieviel sie für ihre Produkte erhalten. Das wäre so, als würde ein Autoverkäufer sein Auto verkaufen und der Käufer sagt erst einen Monat später, wie viel er gedenkt dafür zu zahlen. Das ist ein absurdes System, das es in keinem anderen Wirtschaftsbereich gibt.
In ihrer Amtszeit als Bundesagrarministerin hat Julia Klöckner zwar immer wieder mit der nationalen Umsetzung des Art. 148 GMO gedroht, geschehen ist aber nichts. Der Widerstand der Interessensvertretung der Molkereiindustrie dagegen war und ist riesig. Unter anderem mit der „Sektorstrategie 2023 – Deutsche Milchwirtschaft gemeinsam auf den Weg gebracht“ haben sie suggeriert, die Marktstellung der Milcherzeuger verbessern zu wollen – und es deshalb keine Anwendung des Art. 148 GMO bräuchte.
Die Maßnahmen dieser Sektorstrategie zielen jedoch überhaupt nicht auf eine bessere Marktstellung der Milcherzeuger ab. Die Erzeugerpreise für Milchviehbetriebe sind mit Ausnahme des Jahres 2022 auf einem desaströsen Niveau, das gilt für konventionell und ökologisch erzeugte Milch. Das ist besonders bedenklich, da immer höhere Anforderungen an landwirtschaftliche Betriebe gestellt werden hinsichtlich Klimaschutz, Tierwohl und Artenvielfalt.
Diese Leistungen sind für die Höfe mit höheren Kosten in der Erzeugung verbunden. Gleichzeitig stehen die Betriebe unter Kostensenkungsdruck, weil ihre Produktionskosten nicht am Markt gezahlt werden. Das ist kontraproduktiv, schon deshalb braucht es jetzt wirksame Vorschläge der Regierung, die Marktstellung der Milcherzeuger verbessern zu wollen. Art. 148 GMO ist – wenn er wirksam ausgestaltet ist und für die gesamte Milchmenge gilt – ein Einstieg. Weitere marktpolitische Instrumente müssen folgen.
Die landwirtschaftlichen Verbände sind sich einig, dass:
- die Umsetzungsverordnung zum Art. 148 eine unumgängliche Vertragspflicht beinhalten muss. Eine Angebotspflicht ist keine Vertragspflicht.
- die Umsetzung des Art. 148 GMO für die gesamte Milchmenge, die zwischen den Vertragspartnern verhandelt wird, gelten muss. Ein im Vertrag nur teilweise vereinbarter Preis-Mengen-Bezug hebt die beabsichtigte Wirkung auf, die Bauern in der Wertschöpfungskette zu stärken. Das wäre vergleichbar mit: ein Autohersteller kauft 500.000 Dieselmotoren und zahlt für 70% den vereinbarten Preis. Für die restlichen 30 % schaut er mal, wie viel er noch ausgeben will oder kann.
- die Evaluierung bereits zügig innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre durchgeführt wird. Es ist sofort feststellbar, ob eine Preiswirkung da ist. Noch länger zu warten, bedeutet Stillstand und bremst die Möglichkeit, notwendige weitergehende Regelungen zu erreichen.
Die wirksame Anwendung des Art. 148 GMO für die gesamte Milchmenge ist der Einstieg in eine für alle anderen Branchen vollständig normale Marktpolitik. Die absurde Praxis, dass für die gelieferte Milch im Vorfeld kein Preis vereinbart wird, hätte damit ein Ende. Damit wären die Chancen und Risiken für Erzeuger und Molkereien kalkulierbar.
Die sich daraus ergebene Planungssicherheit bietet die Chance, dass die Bäuerinnen und Bauern ihren existenziellen Notmodus verlassen und die Betriebe nach vorne in eine öko- und sozialgerechte Landwirtschaft entwickeln könnten. Die Effekte für die Gesellschaft, Natur und Tiere würden unmittelbar wirken und das Land stärken. Eine Bündelung der Erzeugerinnen und Erzeuger in Erzeugerorganisationen stärkt die Bäuerinnen und Bauern in den Verhandlungen.
Die landwirtschaftlichen Verbände sind sich auch einig, dass es für die weitere Entwicklung der Landwirtschaft deutlich mehr marktpolitische Instrumente geben muss, die es möglich machen, den Milchmarkt im Gleichgewicht zu halten.
Der Artikel 148 der GMO beabsichtigt eine faire Teilhabe am Milchmarkt, auch für die Milcherzeuger. Wenn sich die oben genannten Minimalanforderungen im Verordnungsentwurf nicht wiederfinden, dann ist offensichtlich, dass das BMEL den Grundgedanken des Art. 148 GMO nicht umsetzen will. Die Milcherzeuger lehnen eine Scheinverordnung zur Besserstellung der Milcherzeuger in der Wertschöpfungskette schon jetzt entschieden ab. Für einen konstruktiven Dialog, der zur wirksamen Ausgestaltung der Umsetzungsverordnung zum Art. 148 führt, stehen die zeichnenden Verbände jederzeit zur Verfügung.
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