Die Gewerkschaft ver.di ruft die Beschäftigten der kommunalen Nahverkehrsunternehmen in Sachsen am 1. März 2024 zu einem ganztägigen Warnstreik auf. In Leipzig und Dresden wird der Streik auf den 2. März 2024 ausgeweitet.
Für den 28. Februar 2024 war in Chemnitz die zweite Verhandlungsrunde zum Tarifvertrag Nahverkehr in Sachsen geplant. Bei dieser sollte nach der bisherigen Abwehrhaltung der Arbeitgeber eine erste inhaltliche Annäherung erreicht werden. Der Gesprächstermin wurde durch den Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) Sachsen jedoch wenige Stunden vorher einseitig abgesagt.
Dazu sagt Paul Schmidt, ver.di-Verhandlungsführer: „Aktuell finden in allen Bundesländern Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen im ÖPNV statt. Die Gespräche laufen überall schleppend, teilweise gibt es echte Verweigerungshaltungen der Arbeitgeber. Wegen der daraus folgenden Streiks im Bundesgebiet in Sachsen nicht einmal zu verhandeln, erschwert eine gütliche Lösung zusätzlich.“
„Die Tarifkommission war gut vorbereitet. Im Rahmen eines Sondierungsgespräches mit dem KAV wurde über erste Möglichkeiten der Annäherung diskutiert. Nun müssen wir aber feststellen, dass die Arbeitgeber nicht nur die dringend nötige Entlastung verweigern, sondern darüber nicht mal mit uns sprechen wollen“, ergänzt Schmidt.
Der Verweis auf die deutlichen Lohnsteigerungen läuft dabei nach Ansicht des Gewerkschafters ins Leere. Diese seien durchaus bemerkenswert. Gleichzeitig wurde damit lediglich die Lücke zu anderen Bundesländern und dem öffentlichen Dienst geschlossen, nachdem in Sachsen über viele Jahre hinweg die schlechtesten Löhne bundesweit gezahlt wurden. Doch mit Geld lässt sich die Gesundheit der Kollegen nicht abkaufen.
Die Personalsituation gestaltet sich in vielen Verkehrsunternehmen dramatisch. Oft können freiwerdende Stellen gar nicht oder nur noch unter größten Mühen nachbesetzt werden. Dies führt zu massiver Mehrbelastung der restlichen Beschäftigten. Im Ergebnis sind die Krankenstände deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft. Dadurch fallen immer wieder Fahrten aus oder muss das Leistungsangebot insgesamt eingeschränkt werden. Damit ist die Verkehrswende im Ganzen in Gefahr. Perspektivisch wird sich diese Situation weiter zuspitzen.
Da es seitens der Arbeitgeber keinerlei Bereitschaft gab, über Fragen der Entlastung zu verhandeln, ruft ver.di die Beschäftigten der kommunalen Verkehrsunternehmen in Chemnitz, Plauen und Zwickau am 1. März 2024 zu einem ganztägigen Warnstreik auf. Die Beschäftigten in Leipzig und Dresden werden vom 1. März bis 2. März 2024 zu einem 48-stündigen Warnstreik aufgerufen.
Hintergrund: Jahrelang wurden im sächsischen Nahverkehr die geringsten Löhne bundesweit gezahlt. Mit dem im ersten Quartal stattfindenden Lohnsteigerungen schließen die Beschäftigten nun zum Lohnniveau des öffentlichen Dienstes auf.
Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) selbst schätzt, dass jährlich 4.000 bis 6.000 Beschäftigte aus den ÖPNV-Unternehmen ausscheiden und derzeit nur mit größter Mühe nachbesetzt werden können.
Diese Zahlen stützt das Statistische Bundesamt. Es hat errechnet, dass die Beschäftigten im ÖPNV überdurchschnittlich alt sind. Während der Anteil der Beschäftigten, die 55 Jahre und älter sind, in der Gesamtwirtschaft bei rund 26 Prozent liegt, beträgt dieser Wert im Nahverkehr rund 40 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der Beschäftigten die 35 Jahre und jünger sind, mit 14 Prozent gerade einmal halb so hoch wie im Durchschnitt anderer Branchen.
Forderungen in der Tarifrunde:
- Erhöhung des Urlaubsanspruchs 33 Arbeitstage
- Einführung von Zeitzuschlägen für Samstagsarbeit in Höhe von 20 Prozent
- Erhöhung der Zeitzuschläge für Sonntagsarbeit auf 50 Prozent verbunden mit der Möglichkeit, diese in zusätzliche Regenerationstage umzuwandeln
- Erhöhung der Zeitzuschläge für Nachtarbeit auf 25 Prozent verbunden mit der Möglichkeit, diese in zusätzliche Regenerationstage umzuwandeln
- Verkürzung der Stufenlaufzeiten auf jeweils 2 Jahre
- 5 zusätzliche Regenerationstage für Kombifahrer*innen
- je 1 zusätzlicher Regenerationstag für 100 geleistete Nachtstunden (jahresübergreifend)
- Anerkennung der Wegezeiten als Arbeitszeit, wenn Anfangs- und Endort des Dienstes nicht identisch sind
- Streichung der Ausnahmen bei der ununterbrochenen Ruhezeit zwischen zwei Dienstschichten
- Berechnung der Zeitzuschläge auf der jeweils individuellen Erfahrungsstufe der Beschäftigten
- Begrenzung der Anzahl der geteilten Dienste auf max. 1 pro Beschäftigten pro Monat; Ausnahmen sind einvernehmlich möglich
- Überstundenzuschläge für Fahrzeugverspätungen ab der 1. Minute als Überstunden
- Erhöhung der Entschädigung für geteilte Dienste auf 30 Euro pro Dienstschicht
- Wiederinkraftsetzen der Regelungen zur Altersteilzeit
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