„Die Stimmung ist wirklich nicht so schlecht, wie das häufig kolportiert wird. Man denkt hier, wir stehen kurz vor dem Zusammenbruch, aber das ist nicht der Fall“, stellt Prof. Dr. Joachim Ragitz, stellvertretender Leiter der ifo Niederlassung Dresden, in der neuen Ausgabe des SMWA-Formates „Martin Dulig | Konkret“ fest.
In dem regelmäßigen Talkformat diskutiert Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig diesmal mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft Lösungsansätze und Handlungsmöglichkeiten für die Stimmungswende in Sachsen.
Aktuell gibt es vier primär die Menschen bewegende Themen: Migration, Wirtschaft, Souveränität und Klimawandel. Auch in Sachsen zeigt sich ein recht eindeutiges Lagebild: Die Menschen wünschen sich mehr Stabilität und Sicherheit. Die Unternehmen fordern weniger Bürokratie, mehr Energie-Sicherheit, Impulse für die Stimulierung der Wirtschaft und langfristige Lösungen für den Fachkräftemangel.
Eingangs betont Martin Dulig: „Wir leben in einer Zeit der Polykrisen, also Krisen, die sich gegenseitig verstärken. Und ja, man hat das Gefühl, keine Luft mehr zum Atmen zu haben. Erst Corona, dann kam der Krieg und die damit verbundenen Energiepreiskrisen. Die Delle, die jetzt eingetreten ist, macht natürlich was mit den Menschen und den Unternehmen.
Die zentrale Herausforderung besteht darin, Mut und Zuversicht zu vermitteln und gleichzeitig konkrete Entscheidungen zu treffen, um die Situation für Unternehmen und Industrie zu verbessern. Die Lage ist besser als die Stimmung. Sachsen steht vor der Frage, ob die richtigen Entscheidungen getroffen werden, um Menschen und Investoren anzuziehen.“
Prof. Dr. Joachim Ragitz: „Wir haben eine Stagnation der Wirtschaft. Das ist nicht berauschend, aber auch nicht dramatisch. Im Jahr 2020 gab es einen Einbruch des BIP von fünf Prozent. Aktuell gibt es tiefe Strukturumbrüche, die wir mit einer Transformation der Wirtschaft umgehen müssen. Die Wirtschaft bewegt sich bereits.
Nehmen wir die Halbleiterindustrie in Dresden. Das ist eine Branche, die sich bereits positiv entwickelt hat und die sich auch in den nächsten Jahren positiv entwickeln wird. Auch in anderen Branchen greifen bereits die Investitionen, die wir für die Klimawende brauchen. Zum Beispiel beim Umbau der Automobilindustrie. Hier werden die Weichen gestellt.“
Andreas Poller, Geschäftsführer der Brumm – Bau GmbH Meißen, beschreibt in der Diskussion die Lage so: „Veränderung erzeugt immer Unsicherheit bei den Menschen. Wir müssen uns verändern und werden zum Teil verändert. Das erzeugt Unsicherheit und zeigt sich auch in einer Investitions-, Kauf- und Bauzurückhaltung. Und das ist es, was uns aktuell Sorgen macht. Tatsächlich haben wir in der Baubranche jedoch schon schlimmere Zeiten erlebt.“ Ausländische Arbeits- und Fachkräfte arbeiten schon seit langem in dem Betrieb. „Im Baugewerbe sind wir auf Migration und Zuwanderung angewiesen. Qualifizierung ist für uns der Schlüssel für Integration.“
Hunderttausende demonstrieren derzeit deutschlandweit und setzen ein Zeichen des Aufbruchs und des Zusammenhalts. Romina Stawowy, Gründerin und Verlegerin des Magazin femMit, macht das Mut und Hoffnung: „Es geht um unsere gemeinsame Zukunft. In Sachsen gibt es 430.000 Menschen mit Migrationshintergrund. Es sind Freunde, Nachbarn und Kollegen. Vielen Menschen ist gar nicht klar, wie viele wir eigentlich sind und was es für Sachsen bedeutet, wenn wir nicht da wären. Sachsen hat ein Imageproblem. Der alte Wunsch nach einer einfachen Lösung ist groß. Doch Migration ist komplex.“
„Migrationsfragen sind solche Fragen, die Gesellschaften spalten können“, weiß Dr. Hans Vorländer, Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der Technischen Universität Dresden. „Die Migrationskrise hat die gesellschaftliche Polarisierung vorangetrieben. Die Gründe dafür sind oft gar nicht so rational. Da sind viele Emotionen im Spiel.
Das führt beispielsweise zu einer starken Ablehnung anderer Meinungen, insbesondere solcher, die sich für Weltoffenheit und Vielfalt einsetzen. Geflüchtete werden als fremd oder gar bedrohlich wahrgenommen. Doch solche Vorurteile bauen sich über Kontakt und Begegnungen, über die Zusammenarbeit in Betrieben und Unternehmen ab“, so Vorländer. In der Migrationsforschung wird das als Kontakthypothese bezeichnet.
„Wir haben allen Grund zur Zuversicht. Und das ist kein Zweckoptimismus“, so Wirtschaftsminister Martin Dulig: „In den kommenden Jahren werden allein in Sachsen über 30 Milliarden Euro investiert. Das sind Investitionen in die Infrastruktur und in die Unternehmen. Diese Investitionen gehen nicht nur an die Großen, sondern die kommen auch bei den Kleinen an.
Sie werden beim Handwerker, beim Bauunternehmer, beim Anlagenbauer und bei den Bildungseinrichtungen ankommen. Wir haben in Sachsen ein Potenzial an Chancen, um das uns viele beneiden. Deshalb sollten wir nicht weiter die schlechte Stimmung in den Vordergrund stellen, sondern die Zuversicht.“
Hintergrund: Format „Martin Dulig | Konkret“
Das sächsische Wirtschaftsministerium (SMWA) hat das Format zur Bürgerinformation im Jahr 2021 ins Leben gerufen. Es soll die Themen Wirtschaft, Arbeit, Mobilität und Digitalisierung sichtbar machen, Raum für aktuelle Debatten geben und über die Arbeit des Staatsministers und des Ministeriums informieren. Eine Sammlung der bisherigen Produktionen finden Sie in einer Playlist auf dem Youtube-Kanal des SMWA: https://youtube.com/playlist?list=PLaSVmCvFbYMXWP5hh9TOWiaEBG1WH53Ne&feature=shared
Keine Kommentare bisher