Ein weiterer Schritt in Richtung Wärmewende: Seit Januar 2024 erforscht die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie Planer großflächige Anlagen für oberflächennahe Geothermie standortbezogen zuverlässiger dimensionieren können. Dadurch können die Investitions- und Betriebskosten gesenkt und die Anlagen für Bauherren lukrativer werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Forschungsprojekt mit 2,2 Millionen Euro.
Vor dem Bau der bis zu 100 Meter tiefen Sonden für oberflächennahe Geothermie müssen Ingenieurbüros umfangreich prüfen, ob der gewählte Standort dafür geeignet ist. Erste Daten wie schützenswerte Gewässer und unterirdische Grundwasserströme lassen sich bei den Geologischen Diensten der Länder erfragen.
„Eine Probebohrung ist jedoch immer vonnöten, denn jedes Bauprojekt und jeder Boden ist individuell. Die Bohrung liefert nähere Informationen über die Art des Gesteins und dessen Wärmeleitfähigkeit“, erläutert Anke Bucher, Leiterin des Forschungsprojekts und HTWK-Professorin für Angewandte Mechanik. Es folgen Berechnungen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die geforderte Heizleistung über den gesamten Zeitraum betrachtet erreicht wird.
Für diese Kalkulationen nutzen Planungsbüros bisher kommerzielle Softwarelösungen, die teilweise auf vereinfachten Annahmen beruhen, die den realen Standortbedingungen nicht immer genügen. Eine Alternative gestaltete der Forschungspartner Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ) bereits im gemeinsamen Vorgängerprojekt EASyQuart mit der HTWK Leipzig: die wissenschaftliche Open-Source-Software OpenGeoSys zur Simulation thermisch-hydraulisch-mechanisch gekoppelter Prozesse.
Schneller werden dank Modellreduktion
„Das Programm erzielt bereits jetzt genauso gute Simulationsergebnisse für Erdwärmeanlagen wie Bezahllösungen, jedoch langsamer. Im aktuellen Forschungsprojekt EASyQuart-Plus gilt es nun, die Software durch Modellreduktionen zu optimieren“, so Bucher.
Um ein Rechenmodell reduzieren zu können, muss zunächst mit großen, realitätsnahen und komplexen Datenpaketen gerechnet werden. Dann prüft Bucher gemeinsam mit ihrem dreiköpfigen Team, welche Werte für ein schnelleres Arbeiten bei gleichem Ergebnis entfallen können. Dabei erstellen sie Standortsimulationen, die mit realen Messdaten aus bestehenden Geothermie-Anlagen trainiert werden. Die Messungen vergleicht das Team mit den Ergebnissen der numerischen Simulation.
Ein weiteres Ziel der dreijährigen Forschungsarbeit besteht darin, eine bessere Effizienz der Geothermie-Anlage bereits in der Planungsphase durch die Kopplung mit der Haustechnik für Heizung, Kühlung und Warmwasser zu erzielen. Denn damit die zur Nutzung der Anlage in der Regel notwendige Wärmepumpe möglichst wenig Strom benötigt, muss nicht nur der Untergrund identifiziert sein, sondern auch der Energieverbrauch des Gebäudes.
Mit den Softwarelösungen und den Erkenntnissen der numerischen Simulationen sollen sogenannte digitale Zwillinge, also virtuelle Modelle, für reale Erdwärmesonden-Anlagen gestaltet werden, die den Betrieb der Anlagen rechnerisch begleiten und durch Modellanpassungen eine kontinuierliche Verbesserung von Prognosesimulationen des Betriebsverhaltens ermöglichen.
Außerdem wird das Team Empfehlungen für Leitfäden und regulative Rahmenbedingungen für Verbände und Behörden formulieren, um geltende Bestimmungen den Erkenntnissen aus der Forschung anzupassen und im Rahmen der föderalen Strukturen möglichst zu vereinheitlichen.
Prof. Dr. Faouzi Derbel, Prorektor für Forschung und Nachhaltigkeit: „Als Hochschule für Angewandte Wissenschaften legen wir Wert darauf, unsere Erkenntnisse in die Praxis zu überführen. Mit diesem großangelegten Forschungsprojekt zur Geothermie wollen wir die Wärmewende voranbringen – als Baustein zur Erreichung der Klimaziele und zur Verbesserung der Nachhaltigkeit.“
Hintergrund: Geothermie ist stets verfügbar
Unter unseren Füßen befindet sich eine nach menschlichem Ermessen unerschöpfliche Wärmequelle: Bis zu 15 Meter unter der Erdoberfläche herrscht eine Durchschnittstemperatur von 11 bis 12 Grad, sommers wie winters. Im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien wie Windkraft und Solarenergie ist Erdwärme somit rund um die Uhr verfügbar.
Um die Klimaziele Deutschlands zu erreichen, ist es unabdingbar, auch diese Energie für das Heizen im Winter und für das Kühlen im Sommer zu nutzen. Im Jahr 2022 deckten oberflächennahe und tiefe Geothermie-Anlagen hierzulande lediglich 1,5 Prozent des gesamten Wärmebedarfs – ihr Potenzial liegt aber deutlich höher.
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