Mit einem Festkonzert im Kulturgut Thallwitz feierte der Landkreis Leipzig den Tag der Deutschen Einheit. Für den musikalischen Rahmen der traditionellen Veranstaltung konnte erneut die Sächsische Bläserphilharmonie gewonnen werden.
Mit dem eindrucksvollen Programm „Zu Hause – (e) in Europa zeigten die Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Chefdirigent Peter Sommerer, dass sie nicht ohne Grund die diesjährige OPUS-Klassik-Auszeichnung „Ensemble des Jahres“ 2023 für die aktuelle CD „La Valse“ verliehen bekommen. Der beliebte Musikpreis wird am kommenden Sonntag in Berlin übergeben.
„Eine Mark für Espenhain“
Landrat Henry Graichen begrüßte die Gäste mit einem kleinen geschichtlichen Rückblick und rief die Protestaktion „Eine Mark für Espenhain“ in Erinnerung. In einem Umweltseminar in Rötha kamen Menschen zusammen, die die katastrophalen Verhältnisse rund um den Braunkohletagebau in Espenhain im Leipziger Südraum, nicht mehr hinnehmen wollten.
Der damalige Röthaer Pfarrer und späterer Regierungspräsident Walter Christian Steinbach initiierte mit einer Spendenaktion für Luftfilteranlagen, eine Unterschriftensammlung, die damals sonst nie möglich gewesen und toleriert worden wäre. Da ein Obolus von einer Mark reichte, um sich eine Spende quittieren zu lassen, kamen so recht schnell zahlreiche Unterschriften zusammen.
Graichen betonte zudem die Rolle der Kirche während der friedlichen Revolution. Sie gab den Menschen Räume, wie eben auch mit dem Umweltseminar in Rötha, in denen sie geschützt ihre Gedanken ausdrücken konnten.
Die Aufgabe der Gegenwart und Zukunft sieht Graichen darin, für die Demokratie zu streiten. „Wir müssen uns für die Demokratie einsetzen, auch wenn es manchmal schwierig ist. Denn die Demokratie ist die Voraussetzung dafür, dass sich die Wirtschaft frei entwickeln kann, sodass wir soziale Standards aufrechterhalten können. Und die Demokratie ist der höchste Garant dafür, dass wir in Frieden und Freiheit leben können“.
Persönliche Geschichten (er-) zählen
Zum Festkonzert des Landkreises ist in jedem Jahr eine Persönlichkeit eingeladen, die mit einer Rede auf die Zeit während und nach der friedlichen Revolution zurückblickt. Der Festredner in diesem Jahr war Dr. Jochen Kinder, Superintendent des evangelisch-lutherischen Kirchenbezirks im Landkreis Leipzig. Für Kinder, der in Nordrhein-Westfalen geboren wurde und aufwuchs, begann der berufliche und private Lebensweg im Osten Deutschlands mit einem Studium in Halle.
Den Gästen des Festkonzerts gab er die folgenden Worte mit auf den Weg: „Sie haben andere persönliche Geschichten und Lebenswege. Manche haben auf dem Weg der 33 Jahre deutscher Einheit auch sehr schmerzliche Erfahrungen machen müssen. Wir spüren immer mehr, wie wichtig es ist, dass unsere Geschichten gesehen und erzählt werden, dass es Anerkennung für all das gibt, was unser Leben ausgemacht hat, in Ost und West. Da ist in den letzten Jahren viel Bewegung hineingekommen, und das ist gut so. Das brauchen wir noch mehr. Erzählen Sie Ihre Geschichten, auch die mit den Schattenseiten der Deutschen Einheit!“
Er ist dennoch überzeugt davon „dass wir am 3. Oktober alle miteinander Grund zum Feiern haben. Wir feiern nicht nur die Friedliche Revolution und die Wiedervereinigung, sondern ,Einigkeit und Recht und Freiheit’. Wir leben in einem gemeinsamen Rechtsstaat. Wir alle haben die Freiheit, unsere Meinung zu sagen und uns in die Demokratie einzubringen. Ich bin mir nicht immer sicher, ob wir uns das wirklich genug bewusst machen und den Wert, den das für unser Leben hat, richtig einschätzen. Bei allen Unzulänglichkeiten, die wir auch erleben: jede Alternative dazu würde einen Rückschritt bedeutet, einen Rückschritt, dessen negative Konsequenzen wir gar nicht überschauen können“.
Aus zwei wird ein Deutschland
Barbara Venetikitou Treffurth, die Orchestermanagerin der Sächsischen Bläserphilharmonie, gab einen kurzen Einblick in ihre persönlichen Erinnerungen an die Geschehnisse im Jahr 1989 hat. Als die Mauer fiel lebte sie mit ihren Eltern im griechischen Thessaloniki.
„Mein Vater schaute Nachrichten und rief mich zu sich. Ich wusste gar nicht was los ist und er erklärte mir, dass es jetzt nur noch ein Deutschlang geben wird. Mir war bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst, dass es zwei Deutschlands gibt. Meine Tante lebte in Deutschland, aber was es mit dem Ganzen auf sich hat, erfuhr ich nach und nach durch Nachfragen und die Erklärungen meiner Eltern und meiner Lehrerin“.
Das diesjährige Festkonzert fand im Kulturgut Thallwitz statt. Landrat Henry Graichen bedankte sich bei der Gemeindeverwaltung Thallwitz, bei Bürgermeister Thomas Pöge und bei der Dorfgemeinschaft Kollau. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger folgten der Einladung des Landrates genauso, wie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Kreisrätinnen und Kreisräte sowie Gerald Lehne, 1. Beigeordneter, und Ines Lüpfert, 2. Beigeordnete des Landkreises Leipzig.
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