Bei der heutigen Pressekonferenz der GEW Sachsen wurde der Abschlussbericht der Studie „Arbeitsbelastung und Arbeitszeit sächsischer Lehrkräfte 2022“ von Studienleiter Dr. Frank Mußmann vorgestellt. Infolge der Ergebnisse hat die GEW Sachsen das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK) nun zu Verhandlungen zur Arbeitszeiterfassung aufgefordert.

Burkhard Naumann, Landesvorsitzender der GEW Sachsen, erklärt dazu:„Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: Lehrkräfte in Sachsen leisten systematisch Mehrarbeit und können die Überstunden in den Ferien nicht mehr abbauen. Die Ursache ist, dass bei der Arbeitszeit der Lehrkräfte keiner genau hinschaut und in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben hinzugekommen sind.“

Dr. Frank Mußmann fasst die Studienergebnisse zu Arbeitsbelastung und Arbeitszeit zusammen: „Bei der Untersuchung der Wochenarbeitszeit wurde in der Studie das Jahresmittel pro Schulwoche gebildet. Mit Ausgleich für geleistete Mehrarbeit in den Ferien ergibt sich eine normative Wochenarbeitszeit von 46 Stunden und 48 Minuten während der Unterrichtszeit. Die Arbeitszeit der Lehrkräfte an den untersuchten sächsischen Schulen liegt im Jahresmittel mit fast 50 Stunden mehr als drei Stunden pro Woche über der erwarteten Arbeitszeit.

Eine Mehrheit der Lehrkräfte leistet regelmäßig Mehrarbeit. Ein Drittel der Vollzeitkräfte in Sachsen arbeitet während der Schulzeit mehr als 48 Stunden pro Woche, was gegen geltende Arbeitsschutznormen verstößt. Zentrale Treiber der Mehrarbeit sind neue und zusätzliche Aufgaben. Im Ergebnis führt dies bei einem Teil hochbelasteter Lehrkräfte zu deutlich erhöhten Burnoutwerten mit entsprechenden gesundheitlichen Risiken.“

Naumann begründet die Verhandlungsaufforderung an das SMK: „Lehrkräfte haben wie alle anderen Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf Arbeitszeiterfassung. Das hat das Bundesarbeitsgericht im September letzten Jahres auf Basis europäischer Rechtsprechung klar geurteilt. Der Freistaat Sachsen kann sich als Arbeitgeber nicht mehr davor wegducken. Deshalb fordern wir das Kultusministerium zu Verhandlungen über die Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften auf.

Unser Ziel ist, dass die komplette Arbeitszeit von Lehrkräften erfasst wird und geltende Arbeitsschutzregelungen eingehalten werden. Eine entsprechende Verhandlungsaufforderung haben wir dem Kultusministerium gestern schriftlich übermittelt.“

Bei der Vorstellung des wissenschaftliche Abschlussberichts betont Mußmann einen dringenden Handlungsbedarf auch aufgrund struktureller Defizite bei der Digitalisierung der Schulen in Sachsen: „Festgestellt wurde eine deutliche digitale Kluft zwischen den Schulen der teilnehmenden Lehrkräfte. Diese Kluft hat erhebliche Konsequenzen für die Bildungsqualität hinsichtlich der Medienbildung der Schülerinnen und Schüler sowie für die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten der Lehrkräfte.

Von der Mehrheit der sächsischen Schulen im Sample werden die vor mehr als zehn Jahren formulierten Ziele der Kultusministerkonferenz im Jahr 2022 deutlich verfehlt.“

Zur Rechtsprechung:

Die Urteile des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 14. Mai 2019 (Az C-55/18) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 (Az 1 ABR 22/21) zwingen Arbeitgeber und Dienstherren zur Arbeitszeiterfassung. Das BAG erklärte dazu: „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG [Arbeitsschutzgesetz] verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“ Dies gilt gleichermaßen für Tarifbeschäftigte und Beamt*innen (§ 2 Abs. 2 ArbSchG).

Zur Studie:

Die Studie „Arbeitszeit und Arbeitsbelastung sächsischer Lehrkräfte 2022” wurde von der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-Universität Göttingen unter Leitung von Dr. Frank Mußmann durchgeführt und von der GEW Sachsen gefördert. Die repräsentative Erhebung für die Studie wurde Ende des Schuljahres 2021/22 an öffentlichen Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien in Sachsen durchgeführt.

Förderschulen und Berufsbildende Schulen waren aufgrund ihrer inneren Unterschiedlichkeit nicht Bestandteil dieser Erhebung. Am heutigen 26. September wurde der Abschlussbericht vorgestellt. Er ist unter www.gew-sachsen.de/arbeitszeit zu finden.

Zu den Arbeitsschutzregelungen:

Für verbeamtete und tarifbeschäftigte Lehrkräfte in Sachsen gilt gleichermaßen die 40-Stundenwoche als reguläre Wochenarbeitszeit. Bislang erfolgt keine Erfassung der Arbeitszeit bei Lehrkräften, die Studie gibt jedoch deutliche Hinweise, dass diese Wochenarbeitszeit im Durchschnitt trotz des Zeitausgleichs in den Ferien systematisch überschritten wird. Eine Grundlage für Arbeitsschutznormen ist die EU-Arbeitszeitrichtlinie, auf die sich die o.g. Urteile von EuGH und BAG beziehen.

Die Wochenarbeitszeit darf in einem Bezugszeitraum von vier Monaten 48 Stunden im Durchschnitt nicht überschreiten. Tägliche Ruhepausen müssen eingehalten werden. Innerhalb von 24 Stunden ist eine tägliche Ruhezeit von elf aufeinanderfolgenden Stunden sowie pro Siebentageszeitraum eine wöchentliche Ruhezeit von 24 Stunden einzuhalten.

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