Seit dem 1. Juli 2023 leitet Prof. Dr. Georg von Polier die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Leipzig. Der 43-Jährige wechselte vom Universitätsklinikum Frankfurt, wo er als leitender Oberarzt tätig war. Parallel forschte von Polier am Forschungszentrum Jülich am Institut für Neurowissenschaften und Medizin.
Prof. Dr. Georg von Polier übernimmt die Professur für Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Leitung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Nachfolge von Prof. Kai von Klitzing, der 2021 in den Ruhestand getreten ist. Die kommissarische Leitung bis zum jetzt erfolgten Amtsantritt hatte Privatdozent Dr. Daniel Radeloff übernommen.
„Wir freuen uns sehr über die Verstärkung der psychiatrischen Kompetenz an der Leipziger Universitätsmedizin durch Prof. von Polier und seine Expertise sowohl in der Therapie als auch Erforschung von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen“, sagt Prof. Christoph Josten, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Leipzig.
Georg von Polier bringt weitreichende Erfahrung in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen als auch Erwachsenen mit. Zu den Stationen seiner beruflichen Tätigkeit nach dem Studium in Hamburg und einem praktischen Jahr an der Duke- sowie der Harvard University in den USA gehören neben dem Uniklinikum Frankfurt das Universitätsklinikum Aachen und das Forschungszentrum Jülich.
An letzterem arbeitete er an der Forschung zu Biomarkern in der Psychiatrie. Dafür untersuchte von Polier die Möglichkeit, anhand von Sprachaufnahmen und bildgebenden Verfahren KI-gestützte Verfahren zu entwickeln, um objektivierbare Daten zur Erleichterung psychiatrischer Diagnosen gewinnen zu können. „Dabei geht es auch darum, die Wirkung von Medikamenten zum Beispiel bei ADHS besser steuern zu können“, erklärt Prof. Georg von Polier.
Eine entsprechende Studie startet demnächst auch in Leipzig. „Wir wissen, dass eine Analyse der Mimik oder der Sprachmelodie uns wichtige Hinweise auf ein mögliches psychisches Krankheitsbild geben können“, so der Kinder- und Jugendpsychiater. Mit den aktuellen Optionen der computergestützten Datenauswertung entstünden hier neue Möglichkeiten, von denen er sich viel für eine verbesserte Diagnostik und Behandlung verspricht.
Ebenfalls vielversprechend sei der am UKL seit kurzem eingesetzte neue Therapieansatz einer aufsuchenden Behandlung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher. „Diese Hometreatment-Therapie im häuslichen Umfeld bietet uns die Chance, die Kinder und Jugendlichen in ihrem Alltag zu erleben, die Situationen und Strukturen vor Ort besser zu verstehen und unsere Maßnahmen entsprechend anpassen zu können“, erläutert von Polier.
Oft sei es so, dass die Patient:innen während des Klinikaufenthaltes zwar viel lernen, das Gelernte aber außerhalb der geschützten Strukturen eines Krankenhauses nicht anwenden können. „Durch Sitzungen daheim können wir hier mehr erreichen und besser helfen“, ist Prof. von Polier überzeugt. Noch steht diese Therapieform ganz am Anfang, seit Jahresbeginn habe das Team begonnen, erste Erfahrungen zu sammeln.
„Gerade bei unserem Schwerpunkt, der Behandlung von Essstörungen, könnte uns das einen neuen und wirksamen Zugang zu den betroffenen Jugendlichen eröffnen“, hofft Prof. von Polier. Das wäre sehr wünschenswert, denn Magersucht im Jugendalter, so der Experte, bleibe die gefährlichste und tödlichste psychische Erkrankung, die aber in jungen Jahren noch gut behandelt werden könne.
Das „Hometreatment“ weiter auszubauen sei ihm daher ein Herzensprojekt, so von Polier, ebenso wie die Weiterführung der an der Klinik etablierten, in Deutschland einmalig umfangreichen Betreuung von Kleinkindern im Alter zwischen ein und fünf Jahren in der Eltern-Kind-Einheit sowie der interdisziplinären psychosomatischen Behandlung gemeinsam mit der Kinderklinik.
Insgesamt rechnet der Kinder- und Jugendpsychiater mit einem steigenden Bedarf in seinem Fachgebiet. „Leipzig ist eine wachsende Stadt, da wächst die Zahl behandlungsbedürftiger Kinder und Jugendlicher mit“, so der gebürtige Hamburger. Der dreifache Vater verweist auch auf die flächendeckende Steigerung der stationären Behandlungszahlen in seinem Fach während der Corona-Pandemie.
Diese hätten sich bei Essstörungen etwa verdoppelt, auch Ängste, Depressionen oder Schlafstörungen nahmen deutlich zu, begünstigt durch das Fehlen sozialer Kontakte und Interaktionen. „Kinder und Jugendliche sind dadurch stärker gefährdet als Erwachsene, die zum einen bereits gefestigter sind, deren Strukturen aber auch weniger umfassend verändert wurden“, so von Polier.
Mit der Normalisierung des Alltags sollte diese Entwicklung gestoppt und umgekehrt werden. „Dennoch werden wir vermutlich auch in den nächsten Jahren noch an der Bewältigung der hier entstandenen Ungleichgewichte arbeiten müssen.“
Für die weitere Entwicklung der Klinik hat der neue Direktor klare Zielsetzungen: „Die Tendenz geht insgesamt weg von langen stationären Aufenthalten, hin zu mehr ambulanten Behandlungen, was ich sehr unterstütze“, so von Polier. „Wir wollen hier ansetzen und in den nächsten Jahren mit neuen Sprechstunden, einer neuen Tagesklinik und einer gezielten aufsuchenden Betreuung unser Angebot als Klinik erweitern und so individuellere und auch niedrigschwelligere Therapien im Interesse der Kinder und Jugendlichen ermöglichen.“
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