Aus Anlass des Internationalen Tags der biologischen Vielfalt am Montag (22.5.) hat Sachsens Umweltminister Wolfram Günther verstärkte Bemühungen auf allen Ebenen für den Schutz der Artenvielfalt gefordert. Zugleich kündigte Günther an, dass die Königsbrücker Heide Deutschlands erstes Wildnisgebiet nach den Standards der International Union for Conservation of Nature (IUCN, deutsch: Internationale Union zur Bewahrung der Natur) werden soll.
Günther: „Artensterben und Lebensraumverlust haben ein atemberaubendes Tempo erreicht, global wie in Sachsen. Der Zustand von Arten und Lebensräumen ist bedrohlich. Wir müssen entschlossener handeln. Heute sind bei den europäisch geschützten Biotopen und Arten mehr als 50 Prozent der Lebensraumtypen und deutlich mehr als 40 Prozent der Arten stärker gefährdet als 2009.
Seit Beginn dieser Legislatur haben wir deshalb den Arten- und Flächenschutz intensiviert. Wir haben ein neues Biodiversitätsprogramm und eine Flächenstrategie beschlossen und neue Förderrichtlinien aufgelegt. Aber auch diese neue Dynamik reicht noch nicht. Zum einen müssen wir als Freistaat noch mehr tun. Es braucht aber auch weiter das Mittun von Kommunen, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern. Es braucht große Schritte und große Strukturentscheidungen genauso wie das Handeln im Kleinen, im eigenen Garten.
Ein solcher großer Schritt ist die Ausweisung der Königsbrücker Heide als Wildnisgebiet. Hier ist in den letzten Jahrzehnten ein einzigartiger ökologischer Schatz entstanden. Wenn wir die Königsbrücker Heide als Wildnisgebiet ausweisen, geben wir unzähligen Arten eine Lebensversicherung. Zugleich lernen wir hier viel Neues über biologische Prozesse.
Und wie der Nationalpark Sächsische Schweiz zeigt: Große geschützte Gebiete haben auch eine große Bedeutung für nachhaltiges Naturerleben und damit für die regionale Entwicklung. Was man kennt, schützt man. Aufgabe und Ziel sind klar: Artenvielfalt erhalten. Denn die Artenvielfalt ist die Grundlage unserer menschlichen Existenz, unserer Ernährung, unserer Ökosysteme.“
Das Naturschutzgebiet (NSG) Königsbrücker Heide ist 7.036 Hektar groß und damit das größte Naturschutzgebiet in Sachsen. Es liegt auf dem Gebiet eines ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatzes. Das NSG ist in eine Kernzone (5.611 Hektar, 80 der Fläche) und eine Pflegezone (1.425 ha) gegliedert. Nach der offiziellen Zertifizierung als Wildnisgebiet gilt in der Kernzone: „Natur Natur sein lassen“. Dort werden keine Nutzungen durch den Menschen mehr stattfinden. Die Zertifizierung als Wildnisgebiet ist für August 2023 mit einer Fachtagung und einem presseöffentlichen Termin geplant.
Die Königsbrücker Heide wird das erste international anerkannte Wildnisgebiet nach den Kriterien der IUCN sein. In Deutschland existieren weitere Wildnisgebiete als Teil der Nationalen Naturlandschaften. In Sachsen ist kein weiteres Wildnisgebiet ausgewiesen. International besitzen Wildnisgebiete eine vergleichbare Bedeutung wie Nationalparks. Mitteleuropäische Wildnisgebiete mit internationaler Anerkennung durch die IUCN sind unter anderem das österreichische Dürrenstein-Lassingtal, der Schweizer Nationalpark und der Nationalpark Val Grande in Oberitalien.
Nach Definition des Bundesamts für Naturschutz sind Wildnisgebiete „ausreichend große, (weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten.“
Der Freistaat Sachsen ist Eigentümer von rund 249.000 Hektar Fläche. Das entspricht etwa 13,5 Prozent der Landesfläche. Rund 208.000 Hektar davon entfallen auf den Staatsforst. Ca. 40 Prozent der landeseigenen Flächen liegen innerhalb von Schwerpunktflächen des Naturschutzes.
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