Der Wirtschaftsausschuss hörte gestern Sachverständige zum Entwurf der Linksfraktion für ein neues Vergabegesetz (Drucksache 7/10618). Die Novellierung war in der letzten Wahlperiode gescheitert, auch in der derzeitigen Koalition ist eine Einigung fraglich. Nico Brünler, wirtschaftspolitischer Sprecher, erklärt:
„Der Staat ist der größte Auftraggeber der Wirtschaft – in Sachsen betrifft das ein Volumen von über einer Milliarde Euro jährlich! Umso klarer ist seine Verantwortung, Gerechtigkeit in der Arbeitswelt zu befördern. Öffentliche Aufträge dürfen nur an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten ordentlich behandeln, sie angemessen bezahlen und die Umwelt nicht schädigen. Wir fordern ordentliche Arbeitsbedingungen und einen Stundenlohn von mindestens 13,50 Euro brutto, auch bei Leiharbeit und Subunternehmen.
Dazu braucht Sachsen dringend ein neues Vergaberecht. Die CDU hat das schon in der vergangenen Wahlperiode ausgesessen, von SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig kommen weiterhin nur Ankündigungen. Die Koalition hatte genug Zeit, ein neues Gesetz zu erarbeiten! Bei der Anhörung wurde klar, dass Unternehmen bei der staatlichen Auftragsvergabe erheblich benachteiligt werden, wenn sie nach Tarif zahlen – denn es zählt oft nur das billigste Angebot. Das schwächt auch die Tarifautonomie.
Es ist kein Wunder, dass der Freistaat weiterhin Schlusslicht bei der Tarifbindung ist. Auch deshalb arbeiten die Sächsinnen und Sachsen pro Jahr eine Woche länger als der deutsche Durchschnitt. Selbst aus der Wirtschaft gibt es Stimmen, dass es ein Gewinn für die Unternehmen ist, wenn bei Ausschreibungen nicht nahezu gesetzmäßig immer der Billigste, sondern wirklich der nachhaltig Wirtschaftlichste und Beste zum Zuge käme.“
Roland Müller, Betriebsratsmitglied eines Bauunternehmens, ergänzt:
„Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen muss an zeitgemäße Tarif-, Sozial- und Ökostandards gebunden sein, denn Billigangebote durch Tricksereien bei der Angebotskalkulation führen oft zu hohen Zusatzkosten für den Auftraggeber. Das kann nicht im öffentlichen Interesse sein! Wenn wir wollen, dass wir weiterhin Fachkräfte haben, dann müssen wir jetzt dafür sorgen, dass unsere Azubis attraktive Arbeitsbedingungen vorfinden. Das geht nur mit Tarifbindung! In diesem Sinne ist der Gesetzentwurf der Linken ein großer Schritt in die richtige Richtung.“
Hintergrund
Der Gesetzentwurf sieht Kriterien vor, die Unternehmen erfüllen müssen, um staatliche Aufträge zu erhalten. Der Zuschlag soll nicht automatisch an das vermeintlich wirtschaftlichste – das heißt: am kreativsten kleingerechnete – Angebot gehen. Vielmehr sollen soziale Kriterien wie Tariftreue und Mindestentgelte sowie ökologische Aspekte und die Regionalität der Bieter einbezogen werden. Öffentliche Auftraggeber müssen gute Arbeit fördern – deshalb sollen die ILO-Kernarbeitsnormen zum festen Vergabekriterium werden. Außerdem soll die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Gleichstellung der Geschlechter relevant werden.
Öffentliche Auftraggeberinnen und Auftraggeber sollen nur umweltverträgliche und energieeffiziente Güter und Leistungen beschaffen, wobei die Lebenszykluskosten zu betrachten sind. Eine Sächsische Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung soll Kommunen dabei unterstützen, den Anforderungen eines modernen Vergabegesetzes gerecht zu werden. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sollen stärker als bisher in den Genuss öffentlicher Aufträge kommen.
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