Zum Jahresende 2022 zählt das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) mehr als 100 Stammzelltransplantationen bei Kindern und Jugendlichen, seitdem Prof. Holger Christiansen die Leitung der Abteilung für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie im Jahr 2008 übernommen hatte. Damit gilt die Abteilung als eines der leistungsfähigsten Zentren in Deutschland.
Allein in Mitteldeutschland gibt es neben dem UKL als inzwischen größtem Regionalzentrum drei weitere Transplantationskliniken. „Gleich vier dieser Einrichtungen sind meines Erachtens in einem Gebiet dieser Größe nicht unbedingt notwendig, da ab einer bestimmten Zahl an Transplantationen die Qualität einfach besser wird“, erklärt Privatdozent Dr. Jörn-Sven Kühl, Leiter der Pädiatrischen Stammzelltransplantation am UKL.
„Stammzelltransplantationen sind komplexe Therapien. Sie benötigen eine Menge räumliche und personelle Kapazitäten. Das zu bündeln wäre sinnvoll.“, pflichtet ihm Dr. Sven Starke, Funktionsoberarzt der Abteilung für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie, bei.
Auch die JACIE-Zertifizierungsagentur verlangt rund zehn allogene Stammzelltransplantationen im Jahr, um als vollwertiges Zentrum anerkannt zu werden.
JACIE steht für „Joined Accreditation Committee“ der ISCT und EBMT. ISCT (International Society for Cellular Therapy) und EBMT (European Group for Blood and Marrow Transplantation) sind die beiden führenden Fachgesellschaften für den Bereich der Blutstammzelltransplantation in Europa. Bei der autologen Stammzelltransplantation bekommen Patient:innen eigene Blutstammzellen übertragen, die ihnen zuvor entnommen wurden; bei der im Kindesalter deutlich häufiger angewendeten allogenen Form sind es hingegen Blutstammzellen von einer anderen Person.
Eigene Station mit vier Betten: Besonderer Isolierbereich
Viele Kliniken und Einrichtungen, an denen transplantiert wird, erreichen im Mittel weniger als zehn Fälle pro Jahr. Bis 2017 galt dies auch für das UKL. Seither, und somit nach Dr. Kühls eigener Statistik ab Fall Nummer 36, ist der damals von der Berliner Charité nach Leipzig gewechselte Experte für Kinder-Hämatologie und -Onkologie für die pädiatrischen Stammzelltransplantationen am Leipziger Uniklinikum zuständig. „Anfangs brauchte es noch ein wenig Überzeugungsarbeit, um Vorbehalte gegen die Transplantation abzubauen“, blickt er zurück.
Die Bemühungen waren wohl erfolgreich, denn seitdem sind die Zahlen gestiegen. So waren es 2020 bereits 14 Transplantationen. Selbst im Corona-Jahr 2021 wurde zehn Mal allogen transplantiert. Dieses Jahr sind es 15 und somit insgesamt 104.
Im Juli 2019 konnten die Kinderärzte zudem einen eigenen Transplantationsbereich eröffnen, eine Einheit mit vier Betten. „Dies ist ein besonderer Isolierbereich mit einer hohen Luftreinheit, fast wie ein Operationssaal“, erläutert Dr. Starke. „Die Patient:innen werden zum Teil über mehrere Wochen in diesen Bereich eingeschleust und auch besonders hygienisch überwacht.“
Mit Dr. Kühls Wechsel von Berlin ans UKL vor nun fünf Jahren konnten die Voraussetzungen geschaffen werden, auch Patient/-innen aus einem überregionalen Einzugsbereich zu behandeln. Dies gilt vor allem für Kinder mit Immundefekten, bei denen eng mit dem Immundefektzentrum am Leipziger „Klinikum St. Georg“ zusammengearbeitet wird, oder für jene mit Stoffwechselerkrankungen wie beispielsweise der seltenen Erkrankung Adrenoleukodystrophie (ALD). Vor 2008 mussten viele Patient/-innen an andere Transplantationszentren überwiesen werden, obwohl sie eigentlich in Leipzig oder Umgebung in Behandlung gewesen waren.
Heute kommen mindestens die Hälfte der Patient:innen „von außerhalb“, wie Dr. Starke angibt. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin erklärt: „Wir behandeln mehr nicht-maligne also nicht-bösartige, angeborene Erkrankungen. Das sind zum Beispiel Kinder mit schlechter Knochenmarksfunktion, denen ständige Bluttransfusionen erspart werden können und die geheilt werden – durch eine Stammzelltransplantation. Denn auf diese Weise erhalten sie neues Knochenmark und damit ein neues Immunsystem.“
Von drei Monaten bis 18 Jahren, von fünf bis 100 Kilogramm
Dem Vorurteil, dass nicht auch jüngere Kinder transplantiert werden könnten, widerspricht Dr. Jörn-Sven Kühl: „Wir behandeln Kinder in einem Alter von drei Monaten bis 18 Jahren und einem Gewicht von fünf bis 100 Kilogramm“, erklärt er.
Kühls Dank für wertvolle Hilfe bei der Aufbauarbeit des Transplantationsprogramms in der Vergangenheit geht an Prof. Dietger Niederwieser, den ehemaligen Leiter der Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie am UKL. Ebenso würdigt er die tagtägliche Unterstützung durch seinen Vorgesetzten, den Leiter seiner Abteilung, Prof. Holger Christiansen, den Direktor der Klinik und Poliklinik für Hämatologie, Zelltherapie und Hämostaseologie, Prof. Uwe Platzbecker sowie den Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin, Prof. Reinhard Henschler. Mit dem neuen Experten der UKL-Kinderklinik für Erkrankungen des Immunsystems bei Kindern, Prof. Christian Klemann, der seit Sommer 2022 am UKL tätig ist, sei die Zusammenarbeit gleichfalls gut angelaufen.
Beste Voraussetzungen also, um auch in Zukunft noch viel mehr Kindern mittels Stammzelltransplantation helfen zu können.
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