Seit über 4 Wochen streiken die Beschäftigten von Teigwaren Riesa für höhere Löhne. Heute, am Jahrestag des Mauerfalls von 1989, brachten sie ihre Botschaft vor das Brandenburger Tor nach Berlin. Niedrig-Lohmauern einreißen! Für diese Forderung gab es viel Unterstützung von Beschäftigten anderer Betriebe und zahlreichen Parteienvertretungen.

Bundesarbeitsminister Heil unterstützt das Anliegen der Beschäftigten. Sein Grußwort wurde vor den Streikenden verlesen: „Der Mindestlohn ist immer nur eine unterste Haltelinie. Unser Ziel sind Tariflöhne, die deutlich über dem Mindestlohn liegen. Das ist nicht nur eine Frage der Leistungsgerechtigkeit. Sondern auch der wirtschaftlichen Vernunft“, so der Minister.

Unterstützung kam von zahlreichen Abgeordneten von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider sprach vor Ort. Markus Reichel, Vertreter der sächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten, suchte vor Ort das Gespräch.

Zahlreiche Streikende machten auf ihre Situation aufmerksam, die stellvertretend für viele Beschäftigte in Ostdeutschland steht. Ein Großteil der Beschäftigten erhält beim ostdeutschen Markenführer Riesa NUDELN derzeit nur 12,51 Euro in der Stunde. Über die Presse hat das Unternehmen mitteilen lassen, dass es nun gar kein Angebot für eine Lohnerhöhung vorlegen will. Die Beschäftigten mit ihrer Lebensmittelgewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordern, die Stundenlöhne um einen Euro sofort zu erhöhen und im nächsten Jahr um einen weiteren Euro.

Die Gewerkschaft NGG sieht die Eigentümerfamilie Freidler in Baden-Württemberg in der Pflicht, ihre Lohnblockade aufzugeben. Uwe Ledwig, Vorsitzender der NGG Ost: „Es gibt keine Dauergarantie auf Niedriglohn – weder im Osten noch sonst wo. In Riesa wie Trochtelfingen stellen die Beschäftigten ein gutes Produkt her. Es ist nicht zu viel verlangt, dass sie von ihrer Arbeit vernünftig leben können.

Das muss die Eigentümerfamilie verstehen. Der Standort Riesa hat zuletzt einen Gewinn von 1,9 Millionen Euro abgeworfen. Das haben die Beschäftigten dort im 3-Schichtsystem erarbeitet. Sie wollen und brauchen einen angemessenen Lohn für das Leben heute und eine anständige Rente im Alter.“

Ledwig weiter: „Eigentum verpflichtet, so steht es im Grundgesetz Artikel 14. Aber nicht zum Eigennutz, sondern zum Allgemeinwohl. Das Eigentum der Unternehmensfamilie beruht auf der Arbeit der Beschäftigten in den Standorten Teigwaren in Riesa und ALB-GOLD in Trochtelfingen und Spaichingen. Sie dürfen nicht hinten runterfallen.“

Nach der Aktion am Mittwoch planen die Beschäftigten schon die nächste Aktion und wollen am traditionellen Adventsmarkt des Unternehmens am Freitag vor Ort in Riesa mit Kerzen einen stillen Protest durchführen.

Hintergrund:

Beim Nudelhersteller in Riesa arbeiten etwa 140 Beschäftigte und zwischen 30-40 Leiharbeitnehmer/-innen. Der Betrieb gehört der Unternehmerfamilie Freidler aus Baden-Württemberg. Diese betreibt dort zwei weitere Nudelbetriebe. Der Stammsitz des Ursprungsunternehmens ALB-GOLD befindet sich in Trochtelfingen auf der schwäbischen Alb. Den Betrieb in Riesa wurde von der Familie nach der Wende gekauft.

Bereits im letzten Jahr mussten die Beschäftigten streiken, um überhaupt Lohnerhöhungen durchzusetzen. Dabei hatte das Unternehmen über die Corona-Zeit mit der Nudelproduktion ein Rekordjahr eingefahren. Die Situation gestaltet sich auch deshalb so schwierig, weil es in den westdeutschen Standorten des Unternehmens weder Betriebsrat noch Tarifvertrag gibt und die Unternehmerfamilie bisher keine Zusammenarbeit mit Gewerkschaften kennt.

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