Die Geschichte des seit mehr als 90 Jahre existierenden Ariowitsch-Hauses in der Hinrichsenstraße 14 in Leipzig ist die eines mit Leben und Liebe gefüllten Hauses – ein Haus, das Zeitgenosse und Zeitzeuge zugleich ist.
Am 19. September 1942 wurden alle BewohnerInnen und Angestellten des Hauses nach Theresienstadt und weiter nach Auschwitz deportiert. Nur acht von ihnen haben überlebt.
Ihre Geschichte und ihr Schicksal soll niemals vergessen werden. Die Deportation jährt sich im Jahr 2022 zum 80. Mal. Dies möchten wir zum Anlass nehmen, um alle Deportationsopfer des Ariowitsch-Hauses mit ihren Namen auf den Eingangsstufen des Hauses zu verewigen – den Stufen des Gedenkens. Die Stufen haben für das Haus eine starke symbolische Bedeutung. Stufen nutzt man aktiv, tagtäglich.
Die damaligen Bewohner/-innen und Pfleger/-innen mussten die Stufen auf dem Weg zum Transport hinabsteigen zu einem Ziel ohne Wiederkehr, aber das Ariowitsch-Haus hat sich Stufe für Stufe zurück in das Leben und die gesellschaftliche Anerkennung emporgehoben. Im Rahmen einer feierlichen Gedenkveranstaltung sollen die Gedenkstufen enthüllt werden.
Grußworte sprechen:
Dr. Skadi Jennicke, Kulturbürgermeister der Stadt Leipzig
Dr. Markus Pieper, Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Nadja Vergne, Nachfahrin einer von der Deportation betroffenen Familie und Nachfahrin des berühmten Leipziger Fotografen Abram Mittelmann
Küf Kaufmann, Direktor des Ariowitsch-Hauses, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig
Als weiteres wichtiges Ereignis an diesem Abend wird die Ausstellung „Gesichter und Geschichten“ im Saal des Ariowitsch-Hauses eröffnet, die sowohl einzelne Schicksale der damaligen BewohnerInnen vorstellt, als auch die Grafiken des Leipziger jüdischen Künstlers Jascha Kerzhner präsentiert. Die darin gezeigten Grafiken versuchen mit viel Emotionalität, den Menschen hinter den Namen wieder eine Persönlichkeit zu geben.
Nach der Ausstellungseröffnung spielt um 19 Uhr die Dresdner Frauenband YOUKALI ihr Programm „Halte dich an Wunder – Großstadtlieder in Szene“ mit Texten von Lili Grün und Mascha Kaléko. (siehe extra Pressemitteilung im Anhang)
Der Eintritt zu allen drei Veranstaltungen ist frei.
Das Projekt wird gefördert von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und dem Zentralrat der Juden in Deutschland.
19. September 2022, 17 Uhr, mit anschließender Vernissage der Ausstellung „Gesichter und Geschichten“ und Konzert der Dresdner Frauenband YOUKALI im Saal des Hauses
Zur Geschichte des Hauses
Als Louise Ariowitsch, Max Ariowitsch und Dr. Hermann Halberstam das Haus Ende der 20er Jahre stifteten, um dort ein jüdisches Altersheim zu errichten, konnten sie nicht ahnen, welches Schicksal dieses Haus erfahren wird. Als jüdisches Altersheim war das Ariowitsch-Haus ab 1931 ein Ort, an dem alte jüdische Menschen ihre Ruhe und Entspannung fanden – ein Ort des würdigen alt Werdens.
Mit dem Beginn der Ausgrenzung und Verfolgung der Juden erlangte das Haus in der damaligen Auenstraße 14 eine besondere soziale Bedeutung. Basierend auf dem „Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden” vom April 1939 wurde auch das Ariowitsch-Haus zu einem sogenannten „Judenhaus“. Hier wurden vor allem alte, überwiegend alleinstehende und meist mittellose Jüdinnen und Juden untergebracht.
Gemäß Unterlagen aus dem Gemeindearchiv wohnten im Mai 1942 99 BewohnerInnen und 7 PflegerInnen in diesem Haus. Insgesamt wurden am 19. September 1942 877 Bewohner/-innen und Pfleger/-innen aller jüdischen Sozialeinrichtungen Leipzigs deportiert. Das Altersheim wurde geschlossen. Schon im Oktober 1942 richtete die Gestapo in den Räumen des Ariowitsch-Hauses eine Dienststelle ein. Weitere Deportationen jüdischer Menschen aus Leipzig wurden von hier organisiert.
Das Ariowitsch-Haus ist heute das größte Zentrum für jüdische Kultur in Sachsen. Die Begegnungsstätte bildet mit zahlreichen Konzerten, Lesungen, Ausstellungen, Seminaren und Vorträgen sowie dem Mehrgenerationenhaus ein buntes Zentrum in der Nachbarschaft des Leipziger Waldstraßenviertels.
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