Die Entwicklung des Reisens und seine Folgen für viele Bereiche der Gesellschaft im 18. Jahrhundert stehen im Zentrum des VI. Internationalen Kongresses für Pietismusforschung, der vom 28. bis 31. August 2022 in Halle stattfindet. Mehr als 80 Vorträge stehen auf dem Programm, es werden 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Europa, Australien und den USA erwartet.
Ausgerichtet wird die Veranstaltung vom Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in Zusammenarbeit mit den Franckeschen Stiftungen zu Halle und der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus.
Das umfangreiche Programm des Kongresses ist in 14 Sektionen gegliedert und widmet sich nahezu allen Facetten des Reisens im 18. Jahrhundert. Der Schwerpunkt liegt auf dem Verhältnis von Reisen und Religion: Neben den katholischen Jesuiten waren es unter den Protestanten vor allem die Pietisten aus Halle und aus Herrnhut, die aus religiösen Gründen in ferne Länder aufbrachen.
„Aus den Reisen, die im engeren Sinne zunächst zur Mission gedacht waren, entwickelten sich Zug um Zug ganz neue Fragen und Perspektiven, wie in zeitgenössischen Reiseberichten zu lesen ist: neben die Arbeit für das Reich Gottes traten kulturelle und naturkundliche Interessen. Reisen und Religion waren im 18. Jahrhundert untrennbar und produktiv miteinander verbunden“, erläutert Dr. Thomas Ruhland vom Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der MLU (IZP).
Auch Vorträge zu Forschungsreisen nach Grönland oder Sibirien und deren Bedeutung für die Erforschung des Klimas und der Natur allgemein stehen auf dem Programm. Andere Beiträge widmen sich der Materialität des Reisens: Welche Gegenstände, welche Lebensmittel waren auf Reisen unverzichtbar? All das wird immer bezogen auf die religiösen Erfahrungen und Wahrnehmungen der Reisenden, auch die Fragen, wie Reisen organisiert wurden und wie man sich für den Aufbruch in bislang unbekannte Regionen vorbereitete.
Hier spielten Reiseführer und Reiseliteratur im Allgemeinen als neu aufkommende literarische Genres eine leitende Rolle: „Während sie im 17. Jahrhundert eher theoretisch und abstrakt abgefasst waren, ohne dass die Autoren jemals fremde Länder bereist hatten, entwickelte sich im 18. Jahrhundert eine Art erfahrungsbasierte Reiseliteratur“, sagt Dr. Christian Soboth vom IZP.
Weitere Beiträge fokussieren Ideen und Dinge, die durch die Reisenden wieder in ihre Heimaten mitgebracht wurden und die von ihnen hervorgerufenen Erweiterungen und Veränderungen im religiösen Erfahrungshorizont. Eine Sektion widmet sich dem Verhältnis von Geschlecht und Reisen, also etwa der Frage, wie Frauen reisten, was sie herausforderte und welche Ziele sie verfolgten.
Es stehen aber nicht nur Reisen durch real existierende Räume auf dem Kongressprogramm: Auch fiktive Reisen in unbekannte Fernen oder Reisen in imaginäre Welten, wie das Geisterreich, oder Reisen in das Innere des Menschen werden in eigenen Sektionen verhandelt.
Eröffnet wird der Kongress am Sonntag, 28. August, mit einem Vortrag von Prof. Dr. Axel E. Walter, Leiter der Forschungsstelle zur historischen Reisekultur der Eutiner Landesbibliothek, mit dem Titel “Konfessionelle Reiseführer der Frühen Neuzeit”.
Die Tagung wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
„Reisen und Religion im (langen) 18. Jahrhundert“
VI. Internationaler Kongress für Pietismusforschung
28. bis 31. August 2022
Franckesche Stiftungen zu Halle
Weitere Informationen zum Programm unter:
https://izp.uni-halle.de/veranstaltungen/pietismuskongress_2022/
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