Die Lage für belarusische Medien- und Kulturschaffende ist lebensbedrohlich. Das Lukaschenko-Regime geht immer rigider gegen Meinungs- und Pressefreiheit vor. Allein im vergangenen Juni fanden fünf Prozesse gegen unabhängige Medienschaffende statt, meldet „Reporter ohne Grenzen“. 2021 wurden laut einem Bericht des belarusischen PEN-Zentrums über 500 Medien- und 1.200 Kulturschaffende – Schriftsteller/-innen, Übersetzer/-innen, Musiker/-innen, Schauspieler:innen – verhaftet.
Anders, aber nicht weniger bedrohlich ist der tägliche Terror und Russlands Krieg gegen die Ukraine für Autor/-innen in der Ukraine. Sie kämpfen an der Front, unterstützen Flüchtlinge, harren als Chronisten in umkämpften Gebieten aus oder sind in europäische Länder geflohen.
Die Internationale Initiative #FreeAllWords (www.freeallwords.org) des European Writers‘ Council (EWC) hat sich jetzt zum Ziel gesetzt, bedrohten, verfolgten und kriegsgeschädigten Autor/-innen Gehör zu verschaffen – in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt. Das Programm #FreeAllWords ist ein Text- und Übersetzungsfonds, und versteht sich als gemeinsames Unterstützungsprojekt für belarusische und ukrainische Autorinnen und Autoren aller Genres. #FreeAllWords wird unter dem Dach des European Writers’ Council (EWC) und mit Beteiligung seiner 46 Mitgliedsorganisationen aus 30 Ländern koordiniert, sowie künftig auch mithilfe des Dachverbands literarischer Übersetzungsverbände CEATL.
Ziel ist die Finanzierung von Übersetzungen von kurzen, aktuellen Texten zensierter oder gewaltsam zum Verstummen gebrachter Autor:innen in so viele Sprachen wie möglich, ebenso wie die rasche und unkomplizierte Unterstützung der Autor:innen durch Texthonorare –, um aktive Unterstützung bei der Verbreitung ihrer Werke und Stimmen zu leisten.
„Wir wollen eine Brücke der Meinungsfreiheit, der Demokratie und der Verständigung zwischen Schriftsteller/-innen, Kulturen, Nationen und Sprachen bauen. Unsere Kolleg/-innen brauchen jetzt keine offenen Briefe, sie brauchen Druckzeilen, Sendeminuten und online-Formate, um aus ihrer Sicht erzählen und berichten zu können. Wir organisieren diese konkrete Hilfe“, erklärt Nina George, Schriftstellerin und Präsidentin des EWC.
Medienkampagne und Buchmesse-Auftritt
Nach der erfolgreichen ersten #FreeAllWords-Fundraisings-Kampagne können jetzt die ersten drei Autor/-innen durch das Programm gefördert werden. Die ersten Übersetzungen ins Spanische und Englische liegen bereits vor.
Kaciaryna Andrejeva (Bachváłava) ist belarusische Journalistin; im Jahr 2020 wurde sie als politische Gefangene anerkannt. Als Journalistin begann sie ihre Arbeit im Jahr 2014. Von 2015 bis 2017 arbeitete sie als Journalistin des belarussischen Dienstes von Radio Liberty, seit 2017 als Korrespondentin des belarusischsprachigen unabhängigen Fernsehsenders „Belsat“. Ihre Beiträge wurden in ukrainischen, russischen und anderen ausländischen Medien veröffentlicht. Sie wurde soeben zu weiteren acht Jahren Haft wegen „Hochverrats“ verurteilt. Ihr Poem erreichte uns aus dem Gefängnis, und wurde übersetzt von der Freedom of Speech 2020 Preisträgerin Hanna Komar.
Hanna Komar ist eine preisgekrönte Dichterin und Übersetzerin, die 1989 in Baranavichy geboren wurde und in Minsk lebt.
John Farndon ist ein britischer Autor von Büchern, Theaterstücken und Musik. Am bekanntesten ist er als Autor von wissenschaftlichen Büchern für Kinder und als Mitwirkender an solchen Büchern.
Ángela Espinosa Ruiz ist eine spanische Übersetzerin, Dichterin in weißrussischer Sprache und Wissenschaftlerin.
Barys Piatrovič ist ein belarusischer Schriftsteller und Romanautor. Er ist Gründer der unabhängigen Literaturzeitschrift “Dziejasłoŭ”, die demokratisch orientierten belarussischen Autoren eine Möglichkeit bietet, unter den Bedingungen des autoritären Regimes in Belarus ihr Publikum zu erreichen. Im Jahr 2011 wurde er zum Vorsitzenden des Verbands der belarusischen Schriftsteller gewählt, der in 2021 zwangsaufgelöst wurde.
Svetlana Lavochkina ist Romanautorin, Dichterin und Übersetzerin. Sie emigrierte 1999 aus der Ukraine nach Deutschland und lebt heute mit ihrer Familie in Leipzig. Ihre Werke wurden in den USA, Europa und Australien veröffentlicht. Ihre Novelle „Dam Duchess“ wurde als Zweitplatzierte des Pariser Literaturpreises ausgewählt. Ihr Debütroman „Zap“ kam auf die Shortlist des Tibor and Jones Pageturner Prize, London.
Zum Deutschland-Start Ende Juli initiiert #FreeAllWords eine breit angelegte Medienkampagne und wirbt um Unterstützung von Autor:innen, Übersetzer/-innen sowie von Stiftungen, Förderprogrammen oder gemeinnützigen Organisationen. So werden auf diversen Social-Media-Kanälen verfolgte und bedrohte Autor:innen in Bild und Ton vorgestellt. Im Oktober 2022 wird #FreeAllWords auf der Frankfurter Buchmesse vertreten sein.
Über #FreeAllWords
Der Text- und Übersetzungsfonds #FreeAllWords ist ein gemeinsames Unterstützungsprojekt für belarusische und ukrainische Autor/-innen aller Genres, und wird unter dem Dach des European Writers’ Council (EWC) organisiert.
#FreeAllWords wurde initiiert von den Autorinnen- und Autorenverbänden A*dS (Autorinnen und Autoren der Schweiz), Forfatterforbundet (Norwegen), und der Community of Belarusian Writers (Belarus).
Im Rahmen von #FreeAllWords sollen kurze, aktuelle, bestehende als auch originale Texte, Interviews, Reportagen, Essays, Gedichte und andere literarische Formen in europäische und internationale Sprachen übersetzt und auf vielfältigsten Kommunikationswegen – digital, Print, in Blogs, Medien usw. verbreitet werden.
Die Autor/-innen- und Übersetzer/-innenhonorare werden aus dem Fonds #FreeAllWords beglichen. Beteiligte Stiftungen: Fritt Ord, Kopinor (beide Norwegen), Landis&Gyr, Karl und Sophie Bindung Stiftung (beide Schweiz). Die ersten Texte und Übersetzungen von zunächst 30 Autoren und Autorinnen aus Belarus, Ukraine und Russland sollen in bis zu 31 Ländern in den kommenden Monaten erscheinen. Ziel sind mindestens eine Million veröffentlichter Worte für Frieden und Freiheit der Meinungsäußerung, für die Verständigung zwischen Kulturen und Nationen, sowie als zentraler Beitrag bei der Überzeugungsarbeit für eine freie, demokratische, friedliche und integrative Gesellschaft.
Insbesondere Schriftsteller/-innenverbände des europäischen Buchsektors und Literaturinstitutionen sind willkommen, Texte anzufragen und die Autor/-innen der Öffentlichkeit näher zu bringen. Auch europäische Presse und Medien können sich für Texte und Übersetzungen vormerken lassen. Ebenso sind literarische Übersetzer aus den Sprachräumen der Ukraine und Belarus eingeladen, sich registrieren zu lassen. Auf der Webseite www.freeallwords.org sind zudem die bisher wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Programm zusammengefasst, sowie die bisher Beteiligten und ihre Werke porträtiert.
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