Das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL) plant offenbar, im Wermsdorfer Wald ein mindestens 1.000 Hektar großes „Wildnisgebiet“ einzurichten. Hierzu wurde mehrfach in der Presse berichtet, der Landkreis Nordsachsen aber bislang offiziell nicht informiert.
Im derzeit gültigen Koalitionsvertrag ist das Ziel festgeschrieben, den Anteil ungenutzter Wälder an der gesamten Waldfläche langfristig auf fünf Prozent zu steigern. Auf Landeswaldflächen soll dieser Anteil zehn Prozent betragen. Da letztere etwa die Hälfte der Gesamtwaldfläche im Freistaat ausmachen, kann das Fünf-Prozent-Ziel auch ohne die Einbeziehung des Privatwaldes erreicht werden.
„Von sogenannten Wildnisgebieten, wie sie offensichtlich am Collm bei Wermsdorf eingerichtet werden sollen, steht im Koalitionsvertrag nichts“, sagt Nordsachsens Landrat Kai Emanuel. Zwar sei von der Einrichtung weiterer großräumiger Gebiete zum Prozessschutz die Rede, aber das verlange mindestens eine fachliche Analyse und Debatte zu den vorhandenen Potenzialen, zu konkreten Zielsetzungen und deren Erreichbarkeit. „Dabei sollte es selbstverständlich sein, die betroffenen Bürger, Kommunen und Verbände einzubeziehen. Bisher ist dazu keine ernsthafte Bemühung erkennbar“, moniert der Landrat.
Forstliche Vereine und Verbände in Sachsen haben im April 2022 ein Positionspapier veröffentlicht, in welchem die weitere Stilllegung von Waldflächen abgelehnt wird. Darin heißt es unter anderem: „Die Landbevölkerung trägt die Lasten der Natursehnsüchte der Stadtbevölkerung, was bereits vorhandene soziale Spannungen begünstigt. Mit Flächenstilllegungen werden die ländlichen Räume unmittelbar wirtschaftlich und strukturell geschwächt.“
Diese Aussage könne er nur unterstreichen, sagt Landrat Emanuel, zumal sich der Ausbau der Windkraft und großflächiger Photovoltaik-Anlagen ebenfalls im ländlichen Raum abspiele, natürlich außerhalb von Naturschutzgebieten, deren Umfang möglichst ebenfalls noch wachsen solle. „Dass damit Wertschöpfung in Größenordnungen verloren geht, spielt in den Überlegungen des SMEKUL offensichtlich keine Rolle“, so Emanuel.
Der 1. Beigeordnete des Landkreises Nordsachsen und Dezernent für Bau und Umwelt, Dr. Eckhard Rexroth, erklärt, dass die Einrichtung eines „Wildnisgebietes“ deutlich mehr als nur die Einstellung der bisherigen forstwirtschaftlichen Nutzung bedeute: „Während eines in der Regel zehnjährigen Entwicklungszeitraums müssen beispielsweise vorhandene Wasser- oder Stromleitungen entfernt, Betriebs- und Sicherheitswege auf das absolut erforderliche Mindestmaß reduziert und die Jagd komplett eingestellt werden.
Holzwerbung, egal zu welchem Verwendungszweck, Nachpflanzungen oder Waldumbau finden ebenfalls nicht mehr statt. Dabei liefert ein nachhaltig bewirtschafteter Wald dringend benötigtes Holz, das langfristig in Dachstühlen, Möbeln und anderen Holzprodukten gebunden wird – eine Wildnis tut das nicht.“
Landrat Kai Emanuel verweist zudem auf die kulturhistorische und touristische Bedeutung des Wermsdorfer Waldes. Dieser bilde mit dem Jagdschloss Hubertusburg ein überregional bekanntes und beliebtes Ausflugsziel, dessen Zugänglichkeit uneingeschränkt gewährleistet bleiben sollte. „Die Staatsregierung muss dringend mit der kommunalen Ebene kommunizieren und zunächst einmal ihre Ziele und Gründe für die Ausweisung eines sogenannten Wildnisgebietes an dieser Stelle transparent machen“, so Nordsachsens Landrat.
Der Wermsdorfer Wald wurde 2018 als erster sächsischer Wald zum „Waldgebiet des Jahres“ gewählt, da es hier laut Staatsbetrieb Sachsenforst in besonderer Weise gelungen sei, die forstliche Nutzung in Einklang mit Naturschutz und Erholung zu bringen.
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