Was verbindet bestimmte Orte in Sachsen? Welche Personen und Artefakte kreuzten dort ihre Wege im Laufe der Jahrhunderte? Und wie kann digitale Technik helfen, dies darzustellen? Etwa 20 Forschende an den sechs außeruniversitären geisteswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in Sachsen beschäftigen sich seit dem Frühjahr mit diesen und ähnlichen Fragen im Verbundprojekt „DIKUSA – Vernetzung digitaler Kulturdaten in Sachsen zum Aufbau einer technischen Infrastruktur für die Forschung zu Mobilität, Migration und Transformation von Orten, Personen und Artefakten“.
Neben der Entwicklung einer technischen Basis mit dem Ziel einer allgemein zugänglichen Online-Präsentation gibt es sechs Teilprojekte im Bereich Digital Humanities (Digitale Geisteswissenschaften). Vor Kurzem trafen sich erstmals alle Projektbeteiligten zu einem Workshop in Präsenz.
Das Erforschen von Biografien, das Entziffern von Artefakten und die Analyse ihrer Bedeutung sowie die Transformation von Territorien gehören zum Tagesgeschäft der Geschichtswissenschaft. Diese arbeitet zunehmend mit digitalen Methoden zum Erfassen, Archivieren, Vernetzen und Darstellen von Personen, Standorten und Wegen – in zeitlicher und räumlicher Perspektive.
Alle sechs DIKUSA-Teilprojekte entwickeln virtuelle Arbeitsumgebungen, um Synergien für die Forschung im Verbund zu nutzen und auch in der Zukunft zusammenzuarbeiten. Standardisierte Schnittstellen ermöglichen den freien Zugang zu den erfassten Norm- und Kulturdaten (Linked Data).
Die sechs Teilprojekte im Detail:
Das Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV) baut sein lange etabliertes Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen (HOV) weiter aus, um den DIKUSA-Teilprojekten eine Verortung und räumliche Visualisierung zu ermöglichen. Mit seinen über 6.000 Ortseinträgen stellt das HOV die Schnittstelle dar, in der die zeitlich und thematisch verschiedenen Teilprojekte zusammenlaufen. Ein Unterprojekt betrifft die Visualisierung von Routen historischer Reiseberichte auf Karten.
Inhaltlicher Ausgangspunkt des Teilprojekts am Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow (DI) sind Forschungen zu den Möglichkeiten und Grenzen jüdischer Teilhabe an sächsischen Hochschulen von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Chemnitz, Dresden, Freiberg und Mittweida lockten damals zahlreiche, darunter auch jüdische, Studierende nach Sachsen. Um ihre mitunter wechselvollen Lebenswege nachzuzeichnen, beginnt nun eine breite Archivrecherche.
Das Teilprojekt des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) untersucht und visualisiert die Mobilität und Migration von Künstlern und ihren Werken – nach, in und aus Sachsen im 17. Jahrhundert. Im Zentrum stehen die Wege und Mechanismen des kulturellen Austauschs Sachsens mit seinen Nachbarregionen, die Netzwerke der in Sachsen, Böhmen, Schlesien, Polen und in den übrigen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches tätigen Künstler und ihrer Auftraggeber. Ein Ziel ist dabei die Verlinkung der gewonnenen Daten mit den Portalen HOV und der „Sächsischen Biografie“ des ISGV.
Das 20. und beginnende 21. Jahrhundert weist zahlreiche Migrationsbewegungen auf – von Geflüchteten oder durch Arbeitsmigration. Am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) nimmt die Forschung verstärkt solche Mobilität von Frauen in den Blick. Ziel ist es auch, etwaige Muster bei Routen zu erkennen.
Die Forschenden der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAW) führen eine detaillierte Studie zu einer sächsischen Landschaft durch, die durch den Uran-Bergbau der Wismut geprägt war. Anhand eines konkreten Abbaugebiets analysieren sie die die verschiedenen Perspektiven darauf. Dazu werden Umweltberichte, Sanierungsunterlagen, historische Aufnahmen, Luftbilder, Kunstwerke und Zeitzeugen-Interviews aufgearbeitet und in interaktiven Karten visualisiert.
Das Sorbische Institut / Serbski Institut (SI) entwickelt eine Online-Plattform für die digitale Dokumentation und Präsentation sorbischer Kulturdenkmale in der Oberlausitz. Über 1.700 Objekte werden dabei berücksichtigt. Im Projekt werden die technischen Grundlagen für die strukturierte Erfassung und Verschlagwortung, die inhaltliche Darstellung sowie die kartografische Visualisierung sorbischer Kulturdenkmale geschaffen. Dadurch können materielle Zeugnisse der sorbischen Geschichte einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.
Das Projekt DIKUSA wird aus Mitteln des Wissenschaftsministeriums des Freistaats Sachsen mit rund 1,4 Millionen Euro gefördert und läuft bis Ende 2025. Das KompetenzwerkD an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig koordiniert das Verbundprojekt.
Für die Quellenrecherche wird bundesweit mit Archiven und Museen in Sachsen sowie dem Leibniz-Institut für Länderkunde kooperiert. Gemeinsam mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) wird an der Visualisierung der Daten im Virtuellen Kartenforum gearbeitet, das allen Interessierten zur Verfügung stehen wird.
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