Schon das ganze Jahr über nehmen Bürgerinnen und Bürger an der bundesweiten Aktion Bioblitz 2022 teil und erforschen die Natur in ihrer Stadt oder ihrem Landkreis. Naturbegeisterte können beobachtete Tier- und Pflanzenarten bestimmen, fotografieren und per Smartphone über die App „ObsIdentify“ oder über die Webseite www.observation.org melden.
Die Meldungen werden von Fachleuten überprüft und sollen in möglichst umfassende Artenlisten der Landkreise und kreisfreien Städte münden. Das Naturkundemuseum Leipzig lädt nun dazu ein, besonders die pflanzenbestäubenden Insekten näher zu betrachten, die gerade in dieser Jahreszeit besonders aktiv sind.
„Der Juni eignet sich besonders gut, um Hummeln, Bienen, Schwebfliegen, Tagfalter und Co in Leipzig zu beobachten. Alle Bestäuber sind von großer Bedeutung für die biologische Vielfalt und auch von großem Nutzen für uns Menschen“ erklärt Museumsdirektor Dr. Ronny Maik Leder.
Insekten sammeln Nektar und Pollen von Blütenpflanzen und bestäuben durch ihre Berührungen das weibliche Blütenorgan mit den gesammelten Pollen. In Europa werden 85 Prozent der über 260 angebauten Feldfrüchte durch Insekten bestäubt. Bedeutend sind dabei Wild- und Honigbienen, aber auch Schmetterlinge, Schwebfliegen, Wespen oder Käfer. Sie alle tragen zur Bestäubung bei.
Biodiversität in der Agrarlandschaft
Diese erstaunliche Bestäubungsleistung sorgt dafür, dass wir Nahrung haben. Da rund 50 Prozent der Fläche der Bundesrepublik Deutschland landwirtschaftlich genutzt werden, kommt der Landwirtschaft eine bedeutende Rolle für die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu, von der sie selbst enorm profitiert.
Man weiß jedoch, dass der hohe Pestizid- und Düngereinsatz und das Verschwinden von wertvollen Strukturen wie Hecken, Graswegen, Feldrändern und Baumreihen in der intensiven Agrarlandschaft für einen Rückgang der biologischen Vielfalt verantwortlich sind. In Europa sind bereits neun Prozent aller Schmetterlinge und Wildbienen bedroht, ihre Populationen weisen Bestandsrückgänge von über 30 Prozent auf, in Deutschland sind sogar über 50 Prozent dieser Arten im Bestand gefährdet.
Dr. Petra Dieker vom Thünen-Institut erklärt: „Der weltweit zunehmende Druck auf Agrarökosysteme, Lebens- und Futtermittel zu produzieren, hat zu einem Rückgang der Biodiversität in Agrarlandschaften geführt. Es ist wichtig, zielorientierte und effiziente Managementmaßnahmen zu entwickeln (und umzusetzen), um dieser negativen Entwicklung entgegenwirken und gleichzeitig die Bedeutung von Biodiversität für die Widerstandsfähigkeit und Leistungsfähigkeit von Agrarökosystemen zu stärken.“
Das zeigt, wie wichtig es ist, die Bestäuber zu erforschen, Veränderungen in ihrem Vorkommen zu verstehen und in Zusammenhang zu Landnutzung und Klimawandel zu setzen.
Biodiversität in der Agrarlandschaft
Entomologin Karolina Rupik (Universität Bielefeld) ergänzt: „Man darf die Bestäubung allerdings nicht nur auf den landwirtschaftlichen Nutzen reduzieren.“ Sie weist darauf hin, dass Bestäubung auch für andere Ökosysteme eine gewaltige Rolle spielt: „Die Vielfalt der Blütenpflanzen als auch die Vielfalt der Insekten ist eng mit dieser etwa 100 Millionen Jahre alten Pflanze-Tier-Interaktion verknüpft. Auf dieser enormen Diversität bauen unsere terrestrischen Ökosysteme mit ihren mannigfaltigen Ökosystemdienstleistungen auf.“
Es sollen, auch mit Hilfe der über Observation.org erhobenen Daten, verschiedene wichtige Fragen wissenschaftlich fundiert beantwortet werden. Eine großflächige Bürgerbeteiligung bei der Erfassung von Artvorkommen kann für die Forschung und den Biodiversitätsschutz eine große Chance sein.
„Ich freue mich sehr, wenn möglichst viele Leipziger Bürgerinnen und Bürger mitmachen, unsere grüne Stadt erkunden und so zur Erforschung der biologischen Vielfalt beitragen. Artenkenntnisse helfen, sind aber nicht zwingend nötig. Durch eine automatische Foto-Bestimmungsfunktion der App, kann jeder teilnehmen“, sagt Dr. Ronny Maik Leder.
Weitere Informationen zur Aktion unter www.bioblitze.lwl.org und https://observation.org/ Interessierte finden die Ergebnisse der Bioblitze 2022 unter https://observation.org/.
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