Im April haben die Fraktionen CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD das „zweite Gesetz zur Änderung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes“ (Drucksache 7/9596) im Wissenschaftsausschuss des Sächsischen Landtages auf den Weg gebracht. Kernpunkte der Änderungen sind die Verankerung von Onlineprüfungen im Gesetz, die coronabedingte Möglichkeit zur Verlängerung der Befristungsdauer für Juniorprofessor/-innen und Akademische Assistent/-innen sowie die grundsätzliche Ermächtigung des Wissenschaftsministeriums, in Krisenzeiten die Regelstudienzeit zu verlängern.
Mit recht kurzer Frist bis zum 03. Mai 2022 hatten die hochschulpolitischen Akteur/-innen Zeit, als Sachkundige ihre Einschätzungen zum Gesetzesentwurf einzureichen. Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) kritisiert in ihrer umfangreichen Stellungnahme allen voran die fehlenden Regelungen zum Datenschutz bei der Verankerung von Onlineprüfungsformaten.
Im Gesetzesentwurf werden digitale Prüfungen zwar rechtlich verankert, die notwendigen Vorkehrungen zum Datenschutz sollen die Hochschulen jedoch ohne zentrale Mindeststandards jeweils in Eigenregie treffen. Intensive Eingriffe in die Privatsphäre Studierender durch sogenanntes Proctoring werden dabei nicht ausgeschlossen und sind somit erwartbar.
„Proctoring bedeutet, dass die Studis dazu verpflichtet werden, während einer Prüfung ihr gesamtes Zimmer mit einer oder mehreren Kameras zu filmen, um Täuschungsversuche zu vermeiden. Teilweise werden die Studierenden dabei sogar gezwungen, Überwachungssoftwares auf ihren privaten Rechner zu installieren, welche beispielsweise in der Lage sind, jede Handbewegung der Studierenden auszuwerten oder alle laufenden Programme zu überwachen“, erläutert Uta Lemke, Sprecherin der KSS, und kritisiert: „Wir verstehen die Notwendigkeit, Onlineprüfungen endlich rechtlich sicher und datenschutzkonform zu verankern. Im vorliegenden Gesetzesentwurf kann hiervon jedoch keinesfalls die Rede sein.“
„Das Eindringen in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Studierenden weisen wir entschieden zurück!“ empört sich Felix Fink, Referent für Hochschulpolitik der KSS, und fügt an: „Es bestehen zahlreiche Möglichkeiten, wie auch ohne Überwachung Prüfungen online abgenommen werden können. Sogenannte OpenBook-Klausuren, in denen alle Hilfsmittel zulässig sind, prüfen die Fertigkeiten der Kommiliton/-innen, Wissen vernetzt anzuwenden.
Sofern hauptsächlich Faktenwissen abgeprüft werden soll, können die Hochschulen weiterhin Präsenzprüfungen in ihren Räumlichkeiten anbieten. Es gibt keinerlei Rechtfertigung dafür unsere Kommiliton*innen zu zwingen ihr privates Zimmer, welches meist zugleich Schlaf- und Arbeitsraum ist, bis in die letzte Ecke den Blicken der Prüfenden zugänglich zu machen.“
Neben fehlenden Mindeststandards zum Datenschutz vermisst die Studierendenvertretung u.a. auch Regelungen zur Handhabung von technischen Störungen oder zur Chancengerechtigkeit. „Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Studierenden zu Hause einen entsprechend ruhigen Ort mit der notwendigen technischen Ausstattung haben, um eine Prüfung abzulegen.
Aber auch dies wird im Gesetzesentwurf vollkommen außer Acht gelassen. Wir hätten uns insbesondere aufgrund der Zukunftsträchtigkeit der Thematik gewünscht, dass sich die Regierung hiermit mehr Zeit lässt. Stattdessen wurde hier ein halbgarer Gesetzesentwurf mit viel Klärungsbedarf eher übers Knie gebrochen“, bedauert Sabine Giese, ebenfalls Sprecherin der KSS.
Die KSS empfiehlt den Parteien daher in die Diskussion über Onlineprüfungen einzusteigen, um zu einem späteren Zeitpunkt einen ausgewogenen Gesetzentwurf vorlegen zu können. Die weiteren Änderungen zur Verlängerung von Befristungen sowie der Ermächtigung des SMWK zur Verlängerung der Regelstudienzeit in Krisensituationen begrüßt die Landesstudierendenvertretung grundsätzlich.
„Hiermit ist weiterhin die Möglichkeit für die Sächsische Regierung gegeben, Studierende in Ausnahmesituationen wie der Coronapandemie zu entlasten. Wir freuen uns, dass der Bedarf zur Abfederung in Krisensituationen nun grundsätzlich gesehen wird. Allerdings mussten wir erneut die Bitte anbringen, die entsprechenden Maßnahmen dabei auch anhand der tatsächlichen Bedürfnisse der Studierenden zu orientieren.
Die Regelstudienzeitverlängerung ist zwar ein guter und wichtiger Schritt – jedoch hat diese aufgrund der geringen Förderquote im BAföG für die wenigsten Studierenden einen nennenswerten Mehrwert. Doch von sinnvolleren Maßnahmen wie Freiversuchsregelungen oder Verkürzungen von An- und Abmeldefristen, die die Studienbedingungen aller erleichtern würden, wollen die zuständigen Entscheidungsträger*innen nichts hören“, erläutert Uta Lemke weiterhin.
„Insgesamt finden wir es sehr bedauernswert, dass nun bereits das zweite Änderungsgesetz vor der eigentlich geplanten großen Novelle des Hochschulgesetzes verabschiedet werden soll. Die dringend notwendigen Verbesserungen, die die KSS den Fraktionen seit Langem vorgelegt hat, fanden bisher keine Berücksichtigung. Enttäuschend“, schließt Sabine Giese.
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