Anlässlich des Internationalen Tages der Pflege am 12. Mai 2022 appellieren die BARMER und der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) dafür, die Fachkräftesicherung in der Pflege weiter zu fokussieren. Der Pflegenotstand in Sachsen wird brisanter als bisher angenommen. Das zeigen die aktuellen Analysen der BARMER. Aus dem neusten Pflegereport geht hervor, dass in Sachsen zukünftig mehr Personal in der Altenpflege gebraucht wird, als nach bisherigen Hochrechnungen angenommen wurde.
Für die hochgerechnet rund 348.000 Pflegebedürftigen im Jahr 2030 werden viele zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Mehr Personal wird dabei vor allem im ambulanten Bereich zur Pflege von Menschen in der eigenen Häuslichkeit gebraucht. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Herausforderungen durch die aktuellen Krisensituationen ist dieses Thema umso drängender und erfordert neue Handlungsansätze.
Fachkräftesicherung in der Pflege – Versorgung: ambulant vor stationär
In den letzten Jahren haben die sächsischen Wohnungsgenossenschaften verstärkt barrierearmen Wohnraum zur Verfügung gestellt. „Für uns ist das Thema so wichtig, weil die Mitglieder unserer Wohnungsgenossenschaften selbstbestimmt leben und wohnen wollen, somit auch den Anspruch haben, im Bedarfsfall in ihren Wohnungen ambulant pflegerisch versorgt zu werden. Damit unterstützen wir die politische Ausrichtung einer ambulanten vor stationären Versorgung und vor allem den Wunsch unserer älteren Bewohnerschaft“, so Mirjam Philipp, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG).
Wenn allerdings eine pflegerische Versorgung aufgrund fehlender Fachkräfte nicht sichergestellt werden könne, habe das massive negative Auswirkungen auf die Wohnsituation. Die Zeit drängt, denn schon heute macht sich der Fachkräftemangel in der Pflege bemerkbar. „Es müssen rasch die Weichen für eine verlässliche und qualitativ hochwertige Pflege gestellt werden. Auch muss dafür gesorgt werden, dass Beschäftigte in der Altenpflege ihren Beruf möglichst lange ausüben können“, ergänzt Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der BARMER in Sachsen.
Die Gesundheit des Pflegepersonals stärken – Belastungen reduzieren
Um die Gesundheit der Beschäftigten in der Altenpflege steht es nicht gut. „In diesen Berufen wird aktuell an der Grenze der Belastbarkeit gearbeitet“, sagt der BARMER Kassenchef. So hätten Auswertungen der Kasse (Berufsatlas der BARMER 2021) gezeigt, dass der Krankenstand beim sächsischen Pflegepersonal im Jahr 2020 bei 8,5 Prozent, der durchschnittliche Wert aller Berufe jedoch bei nur 5,4 Prozent lag. So hätten sich an einem durchschnittlichen Kalendertag von 1.000 Altenpflegerinnen und -pflegern 85 arbeitsunfähig gemeldet.
„Die Beschäftigten in der Altenpflege leiden unter deutlich höheren physischen und psychischen Belastungen als viele andere Erwerbstätige“, äußert Dr. Magerl. So würden sie häufiger im Stehen arbeiten, müssten schwerer tragen und heben. Auch stünden Pflegekräfte stärker unter einem Termin- und Leistungsdruck als Beschäftigte in vielen anderen Branchen. Die Gesundheitsförderung dieser Berufsgruppe müsse unbedingt stärker in den Fokus gerückt werden. Krankenkassen hielten hierfür verschiedene Angebote parat.
Auch müsse es für das Pflegepersonal möglich sein, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. „Geteilte Dienste sollten auf ein Minimum begrenzt und familienfreundliche Arbeitszeiten eingeführt werden. Funktionierende Organisationsstrukturen können hier einiges abfedern“, so der Kassenchef weiter.
PFLEX SACHSEN: Hilfe für ambulante Pflegedienste
„In der pflegerischen Versorgung unserer Mitglieder spüren wir den Fachkräftemangel in der Altenpflege sehr deutlich. Wir erfahren immer öfter, dass pflegebedürftig gewordene Menschen in ihren Wohnungen nicht mehr versorgt werden können, weil ambulantes Pflegepersonal fehlt“, sagt VSWG-Vorstand Mirjam Philipp. Das stelle Wohnungsgenossenschaften und auch die ambulanten Pflegedienstleister vor besondere Herausforderungen.
„Gemeinsam suchen wir nach praktikablen Lösungen, die eine pflegerische Arbeit im ambulanten Bereich attraktiver gestalten“, so Philipp weiter. Sie verweist dabei auf das vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) geförderte Gemeinschaftsprojekt PFLEX SACHSEN. Über dieses Projekt werden ambulante Pflegeeinrichtungen bei der Bearbeitung und Bewältigung ihrer aktuellen Herausforderungen begleitet, ohne dass ihnen zusätzliche Kosten entstehen.
Die Gewinnung und insbesondere die Bindung von kompetentem Personal, aber auch die optimale und ergonomische Gestaltung der Arbeitsbedingungen sowie die Mitbestimmung der Beschäftigten sind dabei wichtige Faktoren. Bei der Umsetzung werden die Projektpartner (ATB Arbeit Technik und Bildung gGmbH, RKW Sachsen GmbH und den WohnXperium e. V.) im Bereich „barrierefreies, barrierearmes, selbstbestimmtes und assistiertes Wohnen“ maßgeblich vom VSWG unterstützt.
Verbesserungen für Pflegepersonal – Das geht alle an.
Aus Sicht der BARMER und des VSWG muss der bereits bestehende Arbeitskräftemangel in der Pflege weiter entschlossen und vor allem gemeinsam bekämpft werden. „Es gilt die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern, sie arbeitnehmerfreundlicher und damit attraktiver zu machen. Neben einer angemessenen Bezahlung sind bessere Arbeitszeitmodelle wichtig“, fordert Dr. Magerl. Die Beschäftigten in der Pflege sollten ihren Beruf qualifiziert, motiviert und bei guter Gesundheit bis zum Ausstieg aus dem Berufsleben ausüben können.
Die Wohnung wird verstärkt zum Pflege- und Gesundheitsstandort. „Mehr und mehr kranke und pflegebedürftige Menschen, die vor einigen Jahren noch auf eine stationäre Behandlung angewiesen waren, werden heute schon im häuslichen Umfeld versorgt und können so lange wie möglich in ihrer eigenen Häuslichkeit bleiben. Doch dies ist nur mit entsprechendem Pflegepersonal möglich“, betont Mirjam Philipp.
Weiterführende Informationen
VSWG
Die 208 im Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) organisierten Wohnungsgenossenschaften sind ein bedeutender Faktor im sächsischen Wohnungsmarkt. Sie bewirtschaften mit insgesamt 297.724 Wohneinheiten 20,5 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestandes im Freistaat Sachsen und bieten damit rund einer halben Million Menschen ein zukunftssicheres Zuhause.
Als Unternehmen erwirtschaften sie mit den jährlichen Umsatzerlösen in Höhe von rund 1,36 Milliarden Euro einen Anteil von ca. 1,1 Prozent am sächsischen Bruttoinlandsprodukt und sind für mehr als 2.600 Mitarbeiter sowie 75 Auszubildende und 23 Studenten ein verlässlicher Arbeitgeber und sichern gleichzeitig Aufträge sowie Arbeitsplätze in vielen weiteren, die Wohnungswirtschaft flankierenden Branchen.
Der VSWG hat seinen Sitz im Verbandshaus in Dresden und ist gesetzlicher Prüfungsverband sowie Fach- und Interessenverband für die im Bundesland Sachsen ansässigen Wohnungsgenossenschaften. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem Information, Beratung sowie Aus- und Weiterbildung der Mitglieder. Zudem übernimmt der Verband die gemeinschaftliche Interessenvertretung der Mitglieder in der Öffentlichkeit.
Kooperation BARMER VSWG
Bereits 2015 hat der VSWG in Kooperation mit der BARMER, dem GÖZ der Technischen Universität Dresden und der ATB gGmbH im Rahmen einer Studie im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums des Innern die unterschiedlichen ambulanten und stationären Wohn- und Versorgungsformen volkswirtschaftlich analysiert.
Zielstellung war es, den zukünftigen Anforderungen einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung bis 2030/2050 mit einer optimalen und nachhaltigen Verteilung der notwendigen ambulanten und stationären Wohn- und Versorgungsformen im Rahmen effektiver Städtebau- und Stadtentwicklungsstrategien entgegenzutreten.
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