Trotz erschwerter Bedingungen blickt das Bach-Archiv Leipzig auf ein erfolgreiches Pandemie-Jahr 2021 zurück. Die Sammlung des Hauses wurde um bedeutende Stücke erweitert und fortlaufend digitalisiert, zudem legten zwei Mitarbeiter des Hauses weitere Bände der laufenden Bach-Gesamtausgaben vor.
Das Bach-Museum Leipzig präsentierte mit der Wiedereröffnung nach dem Lockdown ab Ende Mai eine viel beachtete Sonderausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Künstler Michael Triegel entstand. Eines der ersten Festivals weltweit, das 2021 für Präsenzpublikum vor Ort die Türen öffnen durfte, war das Bachfest Leipzig. Dank hybrider Konzeption feierten im Juni 2021 Bach-Liebhaber aus über 30 Ländern gemeinsam den fünftägigen Konzertzyklus „Bachs Messias“.
Im Pandemie-Jahr 2021 standen sowohl die zahlreichen Forschungs- und Editionsprojekte zur Bach-Familie als auch die Erweiterung der Sammlung im Zentrum der Arbeit des Bach-Archivs Leipzig. So erschien mit Keyboard Concertos from Manuscript Sources X, herausgegeben vom Direktor des Hauses Peter Wollny, ein weiterer Band der Gesamtausgabe der Werke von Carl Philipp Emanuel Bach, mit dem der umfangreiche Komplex der Instrumentalmusik dieses Komponisten abgeschlossen werden konnte.
Die Gesamtausgabe ist ein Projekt des Packard Humanities Institute, Los Altos, California, und wird in Zusammenarbeit mit dem Bach-Archiv Leipzig, der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und der Harvard University realisiert. Der Bärenreiter-Verlag Kassel veröffentlichte 2021 den von Manuel Bärwald herausgegebenen Band Johannes-Passion „O Mensch, bewein“ BWV 245.2 der revidierten Neuen Bach-Ausgabe.
Erweiterung der Sammlung
Die Sammlung des Bach-Archivs Leipzig wurde 2021 kontinuierlich um wichtige Quellen zur Bach-Familie erweitert. Im Jahr 2021 konnte das Bach-Archiv unter anderem auf einer Auktion des Londoner Auktionshauses Sotheby’s die bislang als verschollen geltenden Originalquellen (autographe Partitur und Stimmen) einer frühen Triosonate Carl Philipp Emanuel Bachs erwerben. Der Komponist hatte das dreisätzige Stück für Violine, Flöte und Generalbass im Alter von 17 Jahren in Leipzig unter den Augen seines Vaters geschrieben und in späteren Jahren überarbeitet.
Von den Jugendwerken des zweitältesten Bach-Sohnes sind nur sehr wenige Stücke überliefert, da er die meisten dieser Kompositionen später vernichtet hat. Die nun – mit großzügiger Unterstützung der Kuratoren Barbara Lambrecht-Schadeberg, Adelheid und Jon Baumhauer sowie Arend Oetker – erworbene autographe Notenhandschrift hat sich im Nachlass des Händel-Forschers Friedrich Chrysander (1826-1905) erhalten und war bis jetzt im Besitz seiner Nachkommen verblieben.
Zudem erwarb das Haus zwei Freundschaftsbücher aus dem 18. Jahrhundert mit Eintragungen von Personen aus dem unmittelbaren Umfeld Johann Sebastian Bachs (darunter Kommilitonen und Dozenten der Thomasschule in Leipzig) sowie – mit der Unterstützung des amerikanischen Freundeskreises des Bach-Archivs – den bislang nicht ausgewerteten vollständigen Briefwechsel zwischen dem bedeutenden Bach-Biographen Philipp Spitta (1841–1894) und dem Komponisten und Handschriftensammler Ernst Rudorff (1840–1916).
Digitale Sammlungen
Im Dezember 2021 wurden wertvolle Handschriften der Sammlung Thomana in den Digitalen Sammlungen des Bach-Archivs Leipzig veröffentlicht: Nachdem das Bach-Archiv Leipzig vor zwei Jahren weite Teile des historischen Archivs des Thomanerchors Leipzig als Dauerleihgabe übernommen hatte, konnte nunmehr der gesamte handschriftliche Bestand digitalisiert werden.
Die knapp 100 Handschriften mit insgesamt rund 20.000 Einzelseiten wurden in das digitale Sammlungsportal des Bach-Archivs integriert, wo sie unter https://digitalesammlungen.bach-leipzig.de/ angesehen werden können. Das Projekt wurde aus Mitteln der Förderlinie WissensWandel des Bundesprogramms „Neustart Kultur“ finanziert.
Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Wollny, Direktor des Bach-Archivs Leipzig: „Mit den Begriffen ›Sammeln‹, ›Bewahren‹ und ›Vermitteln‹ lässt sich der wissenschaftliche Auftrag des Bach-Archivs knapp, aber treffend umschreiben. Der – durch die Unterstützung unserer Freunde und Förderer möglich gewordene – Ankauf wertvoller Handschriften erweitert nicht nur das Profil unserer Sammlungen, sondern sichert auch dauerhaft einzigartiges Quellenmaterial. Dessen Veröffentlichung in unseren Digitalen Sammlungen befördert – speziell in der schwierigen Zeit der Pandemie – die Forschung.
Mit unseren richtungsweisenden Neuausgaben werden zentrale Werke J. S. Bachs und seiner Familienmitglieder der musikalischen Praxis in mustergültiger Form zugänglich gemacht. Mit all diesen Aktivitäten bemühen wir uns, die Strahlkraft der Wissenschafts- und Musikstadt Leipzig weiter zu stärken.“
Bach-Museum Leipzig
Das Bach-Museum blieb Anfang 2021 pandemiebedingt geschlossen. Die Wiedereröffnung am 21. Mai erfolgte unter Berücksichtigung geltender Zugangsbeschränkungen und Hygieneregeln. Aufgrund der geringen Ausstellungsfläche musste die Anzahl der Besucher, die sich gleichzeitig im Museum aufhalten durften, stark eingeschränkt werden. Mit der Wiedereröffnung zeigte das Haus eine neue Sonderausstellung.
Die erfolgreiche Schau „Bach & Triegel. Im Dialog“ präsentierte 33 Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphiken und Probescheiben des Leipziger Künstlers Michael Triegel in Verbindung mit klingenden Musikstücken Johann Sebastian Bachs. Originale Notenhandschriften, Bibeln, Textdrucke und andere Werke aus Bachs Bibliothek gewährten darüber hinaus Einblicke in die barocken Kompositionen und ihre Quellen.
Bachfest Leipzig 2021 und Bach-Medaille der Stadt Leipzig
Leipzigs größtes Musikfest wurde 2021 als Hybridfestival veranstaltet. Im Zentrum stand der fünftägige Konzertzyklus „Bachs Messias“: Unter Beteiligung namhafter internationaler Bach-Ensembles wurden insgesamt zwölf Konzerte aus den beiden Leipziger Bach-Kirchen, dem Gewandhaus sowie aus der japanischen Stadt Kobe auf www.bachfromhome.live sowie zum Teil auf dem Facebook-Kanal des Bachfestes gestreamt.
Dank der Unterstützung zahlreicher Förderer, Sponsoren und Kultur- und Medienpartner – darunter die Sparkasse Leipzig, die Leipziger Gruppe, die ACL GmbH sowie „So geht sächsisch.“, der Mitteldeutsche Rundfunk, Sachsen Fernsehen und das Universitätsklinikum Leipzig – konnten somit all jene Konzerte mit Publikum vor Ort und zudem im digitalen Raum stattfinden, die maßgeblich für das Bachfest-Motto „Erlösung“ standen.
Mit dem Abschlusskonzert und dem digitalen Kantaten-Zyklus „Bachs Messias“ erreichte das Bachfest Leipzig Musikliebhaber weltweit: Aus über 30 Ländern kauften 5.000 Konzertbesucher Tickets für die digital übertragenen Konzerte, darunter Bach-Liebhaber aus Afghanistan, Brasilien, Kanada, Kolumbien, Indonesien, Japan und Südafrika.
Hinzu kamen Reichweiten von über 100.000 auf dem Facebook-Kanal des Bach-Archivs und Bachfestes Leipzig, auf dem sechs Konzerte des Festivals ebenfalls übertragen wurden, und den Facebook-Kanälen der Cross-Streaming-Partner MDR KULTUR und MDR KLASSIK, THOMANERCHOR Leipzig, „So geht sächsisch.“, der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH sowie der Deutschen Welle.
Erstmals wurde die Bach-Medaille der Stadt Leipzig an zwei Wissenschaftler vergeben: Die beiden renommierten Bach-Forscher Prof. Dr. Hans-Joachim Schulze und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Christoph Wolff wurden im Rahmen des Bachfestes Leipzig durch den Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung und den Direktor des Bach-Archivs Leipzig, Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Wollny, ausgezeichnet. Die Bach-Medaille wird seit 2003 jährlich durch die Stadt Leipzig vergeben, bisher wurden ausschließlich Musikerinnen, Musiker und Ensembles geehrt.
Engagement und Nachhaltigkeit
Ein weiterer Hektar des zukünftigen „Johann-Sebastian-Bach-Waldes“ in Störmthal bei Leipzig ist finanziert: Knapp 17.500 Euro wurden 2021 für die Aufforstung des Bach-Waldes über die Crowdfunding-Plattform 99 Funken der Sparkasse Leipzig gesammelt. Das Projekt „Ein Wald für Bach“ wurde 2019 von Professor Michael Maul, dem Intendanten des Bachfestes Leipzig initiiert, der so die CO2-Bilanz des internationalen Festivals verbessern möchte.
Ausblick auf 2022
Erfolgreich startete am 15. November 2021 der Vorverkauf für das Bachfest Leipzig 2022. Unter dem Motto „BACH – We Are FAMILY“ laden Bachfest-Intendant Michael Maul und die Neue Bachgesellschaft vom 9. bis zum 19. Juni zum ersten Teil eines musikalischen Treffens der globalen Bach-Familie am Hauptwirkungsort des Komponisten.
In über 140 Veranstaltungen spiegeln führende internationale Interpretinnen, Interpreten und Ensembles den aktuellen Stand der historisch-informierten Aufführungspraxis. Bis Ende Dezember 2021 wurden trotz pandemischer Lage Tickets an Kundinnen und Kunden aus knapp 30 Nationen verkauft, darunter Bach-Liebhaber aus Israel, Japan, Südkorea, Uruguay und den Vereinigten Staaten von Amerika.
Das Bach-Archiv Leipzig versteht sich als musikalisches Kompetenzzentrum am Hauptwirkungsort Johann Sebastian Bachs. Sein Zweck ist, Leben, Werk und Wirkungsgeschichte des Komponisten und der weit verzweigten Musikerfamilie Bach zu erforschen, sein Erbe zu bewahren und als Bildungsgut zu vermitteln. Im Bewusstsein der Bedeutung Bachs erfüllt es im historischen Bosehaus am Thomaskirchhof einen umfassenden und vielfältigen Auftrag für eine breite internationale Öffentlichkeit. Zugleich leistet es damit einen Beitrag zur Profilierung der Musikstadt Leipzig, deren kulturelle Identität der Name Bach maßgeblich prägt.
Das Bach-Archiv ist Mitglied der Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen und gehört zu Deutschlands „Kulturellen Leuchttürmen“. Es zählt laut einer von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erstellten Studie zu den „wichtigsten gesamtstaatlich bedeutsamen Kultureinrichtungen“ in den neuen Bundesländern.
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