Erneut zogen am Montagabend bis zu 2.000 Personen gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen durch Halle (Saale). Angemeldet und beworben wurde die Demonstration durch die verschwörungsideologische „Bewegung Halle“, die sich dem extrem rechten Querdenken-Milieu zuordnen lässt. Mehrere Journalist/-innen wurden durch Teilnehmende bedroht, Auflagen nicht eingehalten. Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage wirft der Polizei Fehler im Umgang mit der Demonstration vor.
Als Frontblock der Demonstration liefen Personen aus dem HFC-Hoolmilieu sowie gewaltbereite Rechtsextremisten aus dem Umfeld des Neonazis Sven Liebich. Halle gegen Rechts liegen Berichte vor, wonach mehrere Personen dieses Blocks Schutzbewaffnung trugen, welche bei Versammlungen in Sachsen-Anhalt verboten ist.
Mehrere Journalist/-innen wurden durch Versammlungsteilnehmer/-innen bedroht, ihnen wurde teils durch Einsatzkräfte der Polizei mitgeteilt, man sei nicht in der Lage sie zu schützen. Am Reileck gelang es mehreren Versammlungsteilnehmer_innen, eine polizeiliche Absperrung zu durchbrechen. Hygieneauflagen wurden durch die rechte Demonstration offensichtlich missachtet und durch die Polizei auch nicht durchgesetzt.
Parallel zu dem rechten Aufmarsch fand auf der Ludwig-Wucherer-Straße eine solidarische Kundgebung vor einem der Anschlagsorte des Anschlags vom 9. Oktober 2019 statt. Über zwei Stunden wurde diese Versammlung nicht durch die Polizei abgesichert, obwohl Rechte bereits im Vorfeld angekündigt hatten, zu diesem Ort zu marschieren zu wollen. Nicht mal Mindeststandards des polizeilichen Schutzes waren gegeben, so musste die solidarische Kundgebung selbst den Verkehr regeln, damit Autos und Straßenbahnen nicht in die Versammlung fuhren.
Der rechten Demonstration war es möglich, unter Begleitung von lediglich einem einzigen Polizeifahrzeug und abweichend von der eigentlichen Route auf der Ludwig-Wucherer-Straße in Richtung des Gegenprotests zu laufen. Hierbei ist es nur durch Glück nicht zu Angriffen auf den Gegenprotest gekommen. Die Polizei war mangels Einsatzkräften vor Ort zu diesem Zeitpunkt nicht mehr imstande, die Lager zu trennen und den Gegenprotest vor Angriffen zu schützen.
Noch am Montagnachmittag war die Polizeiinspektion Halle (Saale) durch das Bündnis informiert worden, dass in rechten, internen Telegram-Gruppen geplant wurde auch abweichend von der Route zu marschieren. Auch, dass davon auszugehen war, dass sich ein aggressiverer Frontblock der Demonstration formieren würde und einer der Anschlagsorte ein Ziel der extremen Rechten war.
„Wir haben heute in Halle ein Polizeiversagen gesehen“, kommentiert dies Valentin Hacken, Sprecher von Halle gegen Rechts. „Erneut konnte eine verschwörungsideologische Demonstration durch die Stadt marschieren, ohne dass die Polizei in der Lage war, Auflagen durchzusetzen und Dritte vor Gefahren zu schützen.“
Das Bündnis weist darauf hin, dass die Polizei an das Gleichbehandlungsgebot aus dem Grundgesetz gebunden ist und daher das Versammlungsrecht auch bei allen Versammlungen gleichermaßen durchzusetzen hat. Weiterhin müsse der Schutz von Medienschaffenden gewährleistet werden, da sonst keine freie Berichterstattung mehr möglich sei.
„Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ ist ein überparteiliches Bündnis aus über 100 Einzelpersonen und mehr als 30 Organisationen aus Halle, das sich entschieden gegen die extreme Rechte, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sowie gegen jede Diskriminierung und für Zivilcourage einsetzt. Im Jahr 2017 wurde es als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ durch das von den Bundesministerien des Inneren und der Justiz getragene BfDT ausgezeichnet.
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