Die ursprünglich für den 26. November 2021 geplante Verleihung des Lessing-Preises musste aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Um die Preisträgerinnen und Preisträger dennoch vorzustellen und zu würdigen, hat Kulturministerin Barbara Klepsch die Auszeichnungen auf virtuellem Weg überreicht.
Die virtuelle Verleihung ist als Film konzipiert und kann unter folgendem Link angesehen werden: www.lsnq.de/LessingPreis
Der mit 20.000 Euro dotierte Hauptpreis geht an den Dramaturg und Generalintendanten des Düsseldorfer Schauspielhauses Wilfried Schulz. Die mit jeweils 5.000 Euro dotierten Förderpreise erhalten die Journalistin und Schriftstellerin Jackie Thomae, die Sängerin, Schauspielerin und Texterin Anna Maria Vogt (alias „Anna Mateur“) sowie die Journalistin, Publizistin und Sachbuchautorin Jasna Zajček. Durch eine Änderung des Statuts war es möglich, den Förderpreis erstmalig an drei Personen zu verleihen.
„Alle Preisträgerinnen und Preisträger stehen mit ihren Werken und ihrem Wirken für Auseinandersetzung und Austausch, für Offenheit und Toleranz. Sie alle sind beeindruckende und starke Stimmen, die auf ganz unterschiedliche Weise zum Nach- und Weiterdenken anregen und damit zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft beitragen. Auch wenn eine direkte Begegnung in Kamenz leider nicht möglich war, möchte ich Ihnen gleichwohl ganz herzlich zum Lessing-Preis gratulieren“, betonte Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Kulturministerin Barbara Klepsch: „Für die feierliche Verleihung des Lessing-Preises stand bereits ein tolles Programm fest, doch die steigenden Infektionszahlen haben uns gezwungen, die Veranstaltung abzusagen. Es war uns aber sehr wichtig, zumindest in einem Film zu zeigen, welche großartigen Personen den diesjährigen Preis erhalten haben.
Die Ausgezeichneten haben durch ihr Wirken in Literatur, Theater und Musik den Geist des Vordenkers und Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing weitertragen. Ich hoffe, dass so die Preisträgerinnen und Preisträger viele Menschen inspirieren und ich wünsche mir, dass wir uns beim nächsten Lessing-Preis wieder persönlich begegnen.“
Über die Preisträgerinnen und Preisträger:
Lessing-Preis 2021
WILFRIED SCHULZ
– Dramaturg und Theaterintendant – wurde 1952 in Falkensee bei Berlin geboren. Er studierte an der Freien Universität Berlin und der Nouvelle Sorbonne in Paris Theaterwissenschaft, Politologie und Germanistik. Von 1976 bis 1981 war er Hochschulassistent an der Hochschule der Künste Berlin, bevor er als Dramaturg zuerst an das Theater der Stadt Heidelberg und dann an das Staatstheater Stuttgart wechselte und später als Chefdramaturg in Basel, Hamburg und Salzburg tätig war. Darüber hinaus hatte er Lehraufträge an mehreren Universitäten inne und publizierte unter anderem über das Theater von Christoph Schlingensief.
Nach seiner ersten Theaterleitung am Schauspiel Hannover übernahm Wilfried Schulz in der Spielzeit 2009/10 die Intendanz des Staatsschauspiels Dresden. Als neue Sparte wurde »Die Bürgerbühne« begründet, in der Dresdner Bürgerinnen und Bürger eingeladen sind, selbst aktiv Theater zu spielen. Unter der Intendanz von Wilfried Schulz ist das Staatsschauspiel Dresden u. a. mit einer Einladung zum Berliner Theatertreffen und dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ (beides für „Don Carlos“ in der Regie von Roger Vontobel) ausgezeichnet worden.
Der Intendant sprach nun neue und vor allem jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer an, mit etwa 250.000 Besuchern jährlich zählte das Dresdner Staatsschauspiel zu den am besten besuchten deutschen Bühnen. Wilfried Schulz erweckte in Dresden den Begriff des Stadttheaters zu neuem Leben und füllte ihn mit neuer Bedeutung. „Das Theater hat sich nicht dunkel und geheimnisvoll in eine Ecke gestellt und gewartet, wer da kommt. Sondern wir sind auf die Leute zugegangen und haben gesagt: Das ist der Ort, wo sich diese Stadt treffen kann, wo Menschen ihre Themen besprechen und auf der Bühne wiederfinden können“ (Wilfried Schulz).
Das Theater entwickelte sich unter seiner Leitung zu einem Ort des Diskurses, das sich mit den Themen der Stadt auseinandersetzte. In diesem Zusammenhang benutze Wilfried Schulz gegen Ende seiner Dresdner Zeit ausdrücklich den Begriff vom „politischem Theater“, herausgefordert von Pegida, dem Rechtstrend in der Gesellschaft und dem Umgang mit Flüchtlingen. Im Sinne Lessings, dass „nicht die Wahrheit, in der irgendein Mensch ist oder zu sein vermeint, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen“ den Wert des Menschen ausmacht, ist Wilfried Schulz ein würdiger Preisträger. (Text: Undine Materni)
Förderpreise zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen
ANNA MARIA VOGT alias Anna Mateur
Anna Maria Vogt, geb. 1977 in Dresden, lebt in Dresden, kämpft für ein offenes, tolerantes Dresden, singt und spielt aber nicht nur in Dresden, sondern tourt als Kunstfigur Anna Mateur mit ihren wunderbaren Programmen Land auf und ab. Sie zeigt eine unbestechliche politische Haltung, die sich gegen spießbürgerliche, nationalistische und anderen dummdreiste Gesinnung richtet.
A. M. Vogt ist eine außergewöhnliche Künstlerin, eine tragikomische Anti-Diva mit faszinierendem Frauenpower, die sich mit ihrer feinfühligen, gleichsam mitunter rabiat-ironischen Kunst im konservativen Lager sicher nicht nur Freunde macht. Aber wer sie versteht, hat selten so gelacht. A. M. Vogt hat an der Hochschule für Musik C. M. von Weber Jazzgesang studiert, schreibt, inszeniert und spielt/singt seit 2003 eigene Bühnenprogramme. Im Bereich Kabarett und Kleinkunst hat sie bereits einige Auszeichnungen erhalten. Lessing, würde er diese sensible Dampframme des Komischen Faches erleben können, wäre von ihr begeistert gewesen. (Text: Prof. Kerstin Hensel)
JACKIE THOMAE
Einen Förderpreis zum Lessing-Preis erhält Jackie Thomae für ihren 2019 bei Hanser Berlin erschienenen Roman „Brüder“. Die 1972 in Halle an der Saale geborene, in Leipzig aufgewachsene Autorin erzählt darin von einer auf Ost und West verteilten Familie mit zwei Halbbrüdern desselben senegalesischen Vaters. Außergewöhnlich und typisch deutsch zugleich sind die immer wieder umbrechenden Lebensverhältnisse, von denen auf faszinierende Weise aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird.
Die politischen Umbrüche der jüngsten Zeit scheinen unaufdringlich in die facettenreiche, nach Leipzig ebenso wie in ganz unterschiedliche Weltgegenden führende Story hinein. Zugehörigkeits-, Identitäts- und Verwandtschaftsfragen werden dabei subtil und mit humoristischer Leichtigkeit verhandelt. (Text: Prof. Dr. Daniel Fulda, Prof. Dr. Günther Heeg)
JASNA ZAJČEK
„Dieses Deutschland schmerzt – Recherchen unter Flüchtlingen, Sozialarbeitern und Pegidisten“: Jasna Zajček verbrachte 2016 fünf Monate undercover als Deutschlehrerin für syrische Flüchtlinge in Bautzen, auf der Suche nach den Gründen für das Integrationsversagen in Deutschland. Daraus entstand das 2017 erschienene Buch „Kaltland“, das von der taz als das „klügste Buch zur Flüchtlingskrise“ beschrieben wurde. Jasna Zajček, Publizistin, Sachbuchautorin, Journalistin und Nah-Ost-Expertin, gelingt mit ihrem Buch eine große Sozialreportage über die unliebsame deutsche Flüchtlingsrealität.
Verstörend vorurteilslos lässt sie alle zu Wort kommen: Flüchtlinge, AfD-Wähler, Pegidisten und Sozialhelfer. Angsterfüllte und Hoffnungsverlierer. Weder belehrt, noch romantisiert sie. Mit journalistischem Geschick bedient sie die Lupe, die unsere Wahrnehmung entzerrt und erlaubt einen schonungslos klaren Blick auf die Realität. Die Ratlosigkeit, mit der sie die Leser zurücklässt, führt zur Neubewertung der Lage, ohne dabei die moralisch-ethischen Werte außer Kraft zu setzen. (Text: Dorotty Szalma)
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