30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Unterschiede zwischen Ost und West bei der Lebenserwartung und auch im Einkommen kleiner geworden. Anfang der 1990er Jahre dagegen waren die neuen Bundesländer nicht nur ärmer als die alten, auch die Lebenserwartung der Menschen war deutlich niedriger. Mittlerweile schneiden ärmere Landkreise im Osten sogar besser als vergleichbare Regionen im Westen ab.

Das zeigt eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU) in Kooperation mit Forschenden der Northwestern und der Princeton University in den USA, die im Fachjournal „Fiscal Studies“ veröffentlicht wurde.

Das Team nutzte die Daten des Statistischen Bundesamts aus den Jahren 1990 bis 2015. Untersucht wurden das durchschnittliche verfügbare Einkommen und die Todesfälle pro 1.000 Personen in verschiedenen Altersgruppen. Anhand dieser Angaben ließ sich der Zusammenhang zwischen Einkommen und Sterblichkeit auf der Ebene einzelner Landkreise darstellen. Direkt nach der Wiedervereinigung zeigte sich ein sehr deutliches Bild: Die Unterschiede in der Sterblichkeit waren extrem groß.

„Vom Einkommen her waren 1995 die stärksten Kreise in den neuen Bundesländern ähnlich gestellt wie die ärmsten Kreise im Westen. Und gleichzeitig waren die Todesfälle pro 1.000 Personen über alle Altersgruppen hinweg im Osten deutlich höher, also war die Lebenserwartung deutlich niedriger“, sagt Gesundheitsökonomin Prof. Dr. Amelie Wuppermann von der MLU. So lag zum Beispiel die Lebenserwartung für neugeborene Mädchen im einkommensstarken Landkreis Leipzig bei etwa 76 Jahren. Im niedersächsischen Aurich, der ähnliche Einkommenswerte erzielte, lag sie aber bei 78,8 Jahren.

Diese Unterschiede gingen im Laufe der Jahre zurück: „Bereits 2003 waren die großen Unterschiede bei der Sterblichkeit weitestgehend verschwunden. Einige Landkreise in Ostdeutschland erzielten sogar bessere Werte als vergleichbare Kreise in den alten Bundesländern“, sagt Prof. Dr. Joachim Winter von der LMU München. Bis 2015 haben sich diese Trends fortgeschrieben und die Verhältnisse teilweise sogar umgekehrt: Die Lebenserwartung für neugeborene Mädchen lag 2015 in Leipzig bei 83,6 Jahren, in Aurich bei 82,3, obwohl beide Regionen etwa gleiche Einkommenszuwächse erzielten.

Im Zeitraum von 1995 bis 2015 ist der Zusammenhang zwischen verfügbarem Einkommen und Sterblichkeit in Deutschland insgesamt also deutlich schwächer geworden. Maßgeblich dazu beigetragen hat der starke Anstieg der Lebenserwartung im Osten.

Die Daten aus Deutschland sind auch in eine neue internationale Studie eingeflossen, die kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlicht wurde. Unter der Leitung von Prof. Dr. Janet Currie von der Princeton University und Prof. Dr. Hannes Schwandt von der Northwestern University in den USA wurde ein Vergleich der Lebenserwartung zwischen Menschen in den USA und in Europa durchgeführt.

Dabei zeigte sich zum einen, dass die Unterschiede zwischen Weißen und Schwarzen in den USA zwar nach wie vor groß, aber über die Zeit kleiner geworden sind. Im Vergleich zu Europa schneiden die USA sowohl bei der Lebenserwartung insgesamt als auch hinsichtlich des Zusammenhangs von Lebenserwartung und dem sozio-ökonomischen Status schlechter ab.

Studie in „Fiscal Studies“: Redler P., Wuppermann A., Winter J., Schwandt H., Currie J. Geographic Inequality in Income and Mortality in Germany. Fiscal Studies (2021). Doi: 10.1111/1475-5890.12259

Studie in „PNAS“: Schwandt H. et al. Inequality in mortality between Black and White Americans by age, place, and cause and in comparison to Europe, 1990 to 2018. PNAS (2021). doi: 10.1073/pnas.2104684118

 

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