Im Rahmen einer Festveranstaltung wurden am Freitagabend die beiden belarussischen Journalistinnen Katerina Bachwalowa und Daria Tschulzowa mit dem Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig geehrt. Die Preisträgerinnen erhalten je 10.000 Euro Preisgeld.

„Dass unsere Preisträgerinnen in Belarus im Gefängnis sitzen, ist ein Fakt, der uns nicht nur traurig macht. Er bestürzt uns und er macht uns wütend“, erklärte Dr. Harald Langenfeld, Vorstandsvorsitzender der Medienstiftung sowie der Sparkasse Leipzig, während der Preisverleihung: Der Fall der jungen Journalistinnen sei nur eines von vielen Beispielen dafür, wie mit der Presse- und Medienfreiheit in Belarus umgegangen werde.

„Längst nicht nur das freie Wort wird wörtlich mit Füßen getreten – es sind die zahlreichen Journalistinnen und Journalisten selbst, die Repressalien ausgesetzt sind, Gewalt erfahren, ihrer Arbeit, ihrer Worte beraubt werden.“ Er forderte die schnellstmögliche Entlassung von Bachwalowa und Tschulzowa aus der Haft.

Im Rahmen der Preisverleihung diskutierte Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und Vorsitzender des Stiftungsrats der Medienstiftung, mit der belarussischen Journalistin Liubou Kaspiarovich und der belarussischen Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch über die aktuelle Situation in Belarus. Es passiere Grausames in Belarus, erklärte Alexijewitsch und sah angesichts von nächtlichen Verhaftungen, verbotenen Medien und geschlossenen Nichtregierungsorganisationen Parallelen zu Umberto Ecos Beschreibungen faschistischer Staaten.

Angesichts der aktuellen Zustände in ihrem Heimatland setze sie auf die Unterstützung des Westens: „Wir müssen nicht nur Lukaschenko besiegen, sondern auch Putin – das macht die Aufgabe besonders schwierig.“ Dennoch sei sie hoffnungsfroh: „Die Menschen der jungen Generation in Belarus sind keine Sklaven mehr.“

Liubou Kaspiarovich, vom Regime inhaftierte Journalistin der unabhängigen belarussischen Nachrichtenplattform TUT.by und derzeit als Journalist in Residence vom Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) unterstützt, erklärte: „Die Wahrheit gilt in Belarus heute als extremistisch. Die aktuell einzige Möglichkeit, ehrlich gegenüber den Lesern zu sein, ist auszuwandern und von außerhalb zu berichten.“

Die Machtelite in Belarus räche sich derzeit an den unabhängigen Medien, Chefredakteure würden als Geiseln gehalten: „Information ist für die Macht die größte Bedrohung“, so Kaspiarovich. Burkhard Jung rief den Menschen in Belarus zu, hoffnungsvoll zu bleiben. Manchmal würden Veränderungen Zeit benötigen, doch er „glaube daran, dass die Dinge sich verändern lassen.“

Die Preisverleihung sowie das Podiumsgespräch wurden am Freitag, 8. Oktober 2021 ab 18.00 Uhr live im Internet übertragen (youtu.be/aH7enHlZGYo) und sind nach Ablauf der Preisverleihung auf der Internetseite der Medienstiftung (www.leipziger-medienstiftung.de) abrufbar.

Über die Preisträgerinnen

Die 27-jährige TV-Reporterin Katerina Bachwalowa (Pseudonym: Katerina Andrejewa) und ihre heute 24-jährige Kamerafrau Daria Tschulzowa arbeiten für den Sender BelSat TV, der aus Polen betrieben wird. Medienexperten zufolge ist BelSat TV eine der wenigen Möglichkeiten für die Menschen in Belarus, sich regimeunabhängig zu informieren. Damit fülle der Sender ein „Informationsvakuum“.

Bachwalowa und Tschulzowa hatten am 15. November 2020 eine Gedenkversammlung für den wenige Tage zuvor getöteten Roman Bondarenko übertragen. Bondarenko war am 11. November 2020 festgenommen worden und wurde wenig später schwer verletzt von der Bezirksabteilung für innere Angelegenheiten in ein Krankenhaus verlegt, wo er am 12. November verstarb.

Über fünf Stunden sendeten Bachwalowa und Tschulzowa einen Livestream von der Gedenkversammlung für Bondarenko. Daraufhin wurden sie festgenommen. Ein belarussisches Gericht wertete die Sendung später als „Handlung, die in grober Weise die öffentliche Ordnung“ verletzt habe. Bachwalowa und Tschulzowa wurden zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die Berufung gegen das Urteil wurde Ende April 2021 abgewiesen.

Katerina Bachwalowa wurde am 2. November 1993 in Minsk geboren. Sie studierte an der Minsker Staatlichen Linguistischen Universität und zog anschließend für zwei Jahre nach Spanien. Nach ihrer Rückkehr nach Belarus arbeitete sie als Journalistin für das belarussische Radio Liberty und die Zeitung Narodnaya Volya.

Seit 2017 ist sie für BelSat TV tätig. Im Zuge ihrer Arbeit wurde sie mehrfach verhaftet. Daria Tschulzowa wurde am 20. Februar 1997 in Schklou geboren. Sie studierte an der Staatlichen Kuleschow-Universität Mahiljou, studienbegleitend arbeitete sie für die Webseite Mahiljou Online. Nach dem Ende ihres Studiums 2019 wurde sie zunächst freie Korrespondentin bei BelSat TV, später Mitarbeiterin.

Zum Preis:

Mit dem Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien ehrt die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig seit 2001 jährlich Journalisten, Verleger und Institutionen, die sich mit hohem persönlichen Einsatz für die Freiheit und Zukunft der Medien engagieren. Der Preis soll auch die Erinnerung an die friedliche Revolution in Leipzig am 9. Oktober 1989 wachhalten: Damals forderten die Demonstranten „eine freie Presse für ein freies Land“.

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