Der Dramaturg und Intendant Wilfried Schulz ist Lessing-Preisträger 2021 des Freistaates Sachsen. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre vergeben. Wilfried Schulz war von 2009 bis 2016 Intendant am Staatsschauspiel Dresden und ist inzwischen Generalintendant am Düsseldorfer Schauspielhaus.
Das Kuratorium begründet seine Entscheidung damit, dass er in Dresden den Begriff des Stadttheaters zu neuem Leben erweckte und ihn mit neuer Bedeutung füllte. Das Theater entwickelte sich unter seiner Leitung zu einem Ort des Diskurses, das sich mit den Themen der Stadt auseinandersetzte.
Die drei Lessing-Förderpreise, jeweils mit 5.000 Euro dotiert, gehen an die Journalistin und Schriftstellerin Jackie Thomae, an die Sängerin, Schauspielerin und Texterin Anna Mateur und an die Journalistin, Publizistin und Sachbuchautorin Jasna Zajček.
„Der Lessing-Preis des Freistaates Sachsen liegt mir besonders am Herzen, weil er zeigt, dass das Erbe Lessings und der Aufklärung hier immer noch lebendig ist. Die künstlerischen Mittel mögen heute andere sein, die Botschaft ist dieselbe, die uns der Verfasser des ,Nathan’ überliefert hat – der humanistische Blick auf den Menschen, auf jeden Menschen, die Achtung vor seiner Würde und vor seiner Einzigartigkeit.
Wichtig ist es, denen eine Stimme zu geben, die sonst oft überhört werden, und uns, das Publikum, auf berührende Weise zur Einfühlung und zum Nachdenken anzuregen. Mit zeitgenössischen künstlerischen Mitteln tun dies sowohl Wilfried Schulz, der Lessing-Preisträger, als auch die drei Lessing-Förderpreisträgerinnen“, betont Staatsministerin Barbara Klepsch.
Staatsministerin Barbara Klepsch wird den Lessing-Preis 2021 sowie die Förderpreise am Freitag, 26. November 2021 in Kamenz an die Preisträger überreichen.
Lessing-Preis 2021
WILFRIED SCHULZ
– Dramaturg und Theaterintendant – wurde 1952 in Falkensee bei Berlin geboren. Er studierte an der Freien Universität Berlin und der Nouvelle Sorbonne in Paris Theaterwissenschaft, Politologie und Germanistik. Von 1976 bis 1981 war er Hochschulassistent an der Hochschule der Künste Berlin, bevor er als Dramaturg zuerst an das Theater der Stadt Heidelberg und dann an das Staatstheater Stuttgart wechselte und später als Chefdramaturg in Basel, Hamburg und Salzburg tätig war. Darüber hinaus hatte er Lehraufträge an mehreren Universitäten inne und publizierte unter anderem über das Theater von Christoph Schlingensief.
Nach seiner ersten Theaterleitung am Schauspiel Hannover übernahm Wilfried Schulz in der Spielzeit 2009/10 die Intendanz des Staatsschauspiels Dresden. Als neue Sparte wurde »Die Bürgerbühne« begründet, in der Dresdner Bürgerinnen und Bürger eingeladen sind, selbst aktiv Theater zu spielen. Unter der Intendanz von Wilfried Schulz ist das Staatsschauspiel Dresden u. a. mit einer Einladung zum Berliner Theatertreffen und dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ (beides für „Don Carlos“ in der Regie von Roger Vontobel) ausgezeichnet worden.
Der Intendant sprach nun neue und vor allem jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer an, mit etwa 250.000 Besuchern jährlich zählte das Dresdner Staatsschauspiel zu den am besten besuchten deutschen Bühnen. Wilfried Schulz erweckte in Dresden den Begriff des Stadttheaters zu neuem Leben und füllte ihn mit neuer Bedeutung. „Das Theater hat sich nicht dunkel und geheimnisvoll in eine Ecke gestellt und gewartet, wer da kommt. Sondern wir sind auf die Leute zugegangen und haben gesagt: Das ist der Ort, wo sich diese Stadt treffen kann, wo Menschen ihre Themen besprechen und auf der Bühne wiederfinden können“ (Wilfried Schulz).
Das Theater entwickelte sich unter seiner Leitung zu einem Ort des Diskurses, das sich mit den Themen der Stadt auseinandersetzte. In diesem Zusammenhang benutze Wilfried Schulz gegen Ende seiner Dresdner Zeit ausdrücklich den Begriff vom „politischem Theater“, herausgefordert von Pegida, dem Rechtstrend in der Gesellschaft und dem Umgang mit Flüchtlingen. Im Sinne Lessings, dass „nicht die Wahrheit, in der irgendein Mensch ist oder zu sein vermeint, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen“ den Wert des Menschen ausmacht, ist Wilfried Schulz ein würdiger Preisträger. (Text: Undine Materni)
Förderpreise zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen
ANNA MARIA VOGT
alias Anna Mateur
Anna Maria Vogt, geb. 1977 in Dresden, lebt in Dresden, kämpft für ein offenes, tolerantes Dresden, singt und spielt aber nicht nur in Dresden, sondern tourt als Kunstfigur Anna Mateur mit ihren wunderbaren Programmen Land auf und ab. Sie zeigt eine unbestechliche politische Haltung, die sich gegen spießbürgerliche, nationalistische und anderen dummdreiste Gesinnung richtet.
A. M. Vogt ist eine außergewöhnliche Künstlerin, eine tragikomische Anti-Diva mit faszinierendem Frauenpower, die sich mit ihrer feinfühligen, gleichsam mitunter rabiat-ironischen Kunst im konservativen Lager sicher nicht nur Freunde macht. Aber wer sie versteht, hat selten so gelacht. A. M. Vogt hat an der Hochschule für Musik C. M. von Weber Jazzgesang studiert, schreibt, inszeniert und spielt/singt seit 2003 eigene Bühnenprogramme.
Im Bereich Kabarett und Kleinkunst hat sie bereits einige Auszeichnungen erhalten. Lessing, würde er diese sensible Dampframme des Komischen Faches erleben können, wäre von ihr begeistert gewesen. (Text: Prof. Kerstin Hensel)
JACKIE THOMAE
Einen Förderpreis zum Lessing-Preis erhält Jackie Thomae für ihren 2019 bei Hanser Berlin erschienenen Roman „Brüder“. Die 1972 in Halle an der Saale geborene, in Leipzig aufgewachsene Autorin erzählt darin von einer auf Ost und West verteilten Familie mit zwei Halbbrüdern desselben senegalesischen Vaters. Außergewöhnlich und typisch deutsch zugleich sind die immer wieder umbrechenden Lebensverhältnisse, von denen auf faszinierende Weise aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird.
Die politischen Umbrüche der jüngsten Zeit scheinen unaufdringlich in die facettenreiche, nach Leipzig ebenso wie in ganz unterschiedliche Weltgegenden führende Story hinein. Zugehörigkeits-, Identitäts- und Verwandtschaftsfragen werden dabei subtil und mit humoristischer Leichtigkeit verhandelt. (Text: Prof. Dr. Daniel Fulda, Prof. Dr. Günther Heeg)
JASNA ZAJČEK
„Dieses Deutschland schmerzt – Recherchen unter Flüchtlingen, Sozialarbeitern und Pegidisten“: Jasna Zajček verbrachte 2016 fünf Monate undercover als Deutschlehrerin für syrische Flüchtlinge in Bautzen, auf der Suche nach den Gründen für das Integrationsversagen in Deutschland. Daraus entstand das 2017 erschienene Buch „Kaltland“, das von der taz als das »klügste Buch zur Flüchtlingskrise« beschrieben wurde. Jasna Zajček, Publizistin, Sachbuchautorin, Journalistin und Nah-Ost-Expertin, gelingt mit ihrem Buch eine große Sozialreportage über die unliebsame deutsche Flüchtlingsrealität.
Verstörend vorurteilslos lässt sie alle zu Wort kommen: Flüchtlinge, AfD-Wähler, Pegidisten und Sozialhelfer. Angsterfüllte und Hoffnungsverlierer. Weder belehrt, noch romantisiert sie. Mit journalistischem Geschick bedient sie die Lupe, die unsere Wahrnehmung entzerrt und erlaubt einen schonungslos klaren Blick auf die Realität. Die Ratlosigkeit, mit der sie die Leser zurücklässt, führt zur Neubewertung der Lage, ohne dabei die moralisch-ethischen Werte außer Kraft zu setzen. (Text: Dorotty Szalma)
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