Keine Narkose mehr und ein wenig Zappeln ist auch nicht schlimm: Zum Wohle ihrer kleinen Patienten zünden die Kinderradiologen am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) den Turbo bei der Bildentstehung. Als eines von zwei kinderradiologischen Zentren weltweit setzen Prof. Franz Wolfgang Hirsch und sein Team eine moderne Technik ein, die Bilder einer Magnetresonanztomografie-Untersuchung (MRT) in Echtzeit berechnet.
Das reduziert die Untersuchungszeit bei ausgewählten Untersuchungen erheblich – statt drei Minuten nur noch 15 Sekunden für eine komplette Kopfsequenz – das macht Narkosen für viele Kinder bis sechs Jahre nicht mehr notwendig.
Auf einem Fachkongress vor drei Jahren wurden Prof. Hirsch, Direktor des Instituts für Kinderradiologie, und Oberarzt Dr. Daniel Gräfe auf eine Technik aufmerksam, die der bekannte Physiker Prof. Jens Frahm am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen bereits in den 1980-er Jahren entwickelte und in den Folgejahren zur Echtzeitbildgebung optimierte. Mit diesem Verfahren reduzieren sich Aufnahmezeiten für einzelne Schichtbilder einer MRT von ehemals mehreren Minuten auf wenige Millisekunden.
Obwohl Prof. Frahm diese Technik nicht primär für die Diagnostik von Kindern entwickelte, fuhren Prof. Hirsch und Dr. Gräfe selbst nach Göttingen, um es sich vor Ort anzuschauen. Was die UKL-Experten am meisten faszinierte, war die Tatsache, dass durch die Schnelligkeit, mit der die Bilder entstehen – bis zu 50 pro Sekunde -, Bewegungen nicht mehr stören. Diese Bewegungen können kleine Kinder, fixiert im laut brummenden Tomografen, kaum minutenlang unterdrücken. Auch deshalb mussten bisher Kinder bis sechs Jahre und jünger narkotisiert werden.
Acht gleichzeitig rechnende Grafikkarten
Ergebnis der Göttingen-Fahrt: Eine Lizenz wurde erworben und auch der dafür nötige Superrechner mit acht sehr schnellen und gleichzeitig rechnenden Grafikkarten, die für diesen Prozess notwendig sind. „Die Daten, die vom MRT auf die Monitore der Medizinisch-Technischen Assistenten gehen, laufen nun zuerst über den zwischengeschalteten Superrechner. Wir sehen daher nun sofort das bewegte Bild in Echtzeit oder mit nur minimaler Verzögerung“, berichtet Prof. Hirsch. Dies sei eine sensationelle Neuerung.
Mindestens ebenso wichtig ist dem UKL-Kinderradiologen aber auch die zweite Neuerung: „Brauchte es bei einer Kopfuntersuchung bisher für eine MRT-Sequenz etwa drei Minuten, benötigen wir nun gerade mal 15 Sekunden, um das gesamte Gehirn in einer Ebene abzuscannen. Für drei Ebenen sind es dann eben statt neun Minuten nur 45 Sekunden. Deshalb müssen viele unserer kleinen Patienten nicht mehr narkotisiert werden“, betont Hirsch. Dies sei natürlich viel schonender für die Kinder, freue die Eltern und spare Ressourcen am UKL.
„Durch die Geschwindigkeit entstehen zwar Bilder mit einem etwas außergewöhnlichen Kontrast und einer leicht eingeschränkten räumlichen Auflösung“, erläutert der Institutsdirektor, „sie können daher auch noch nicht alle Standard-MRT-Untersuchungen ersetzen, doch dafür sind sie nicht mehr anfällig für störende Bewegungen durch das Kind.“ Nun genüge es, erklärt er, wenn ein Elternteil leicht den Kopf des Kindes festhalte.
„Die Kinderradiologie am Leipziger Universitätsklinikum dürfte das einzige Zentrum sein, welches dieses System im Routinebetrieb einsetzt“, erklärt Prof. Hirsch, „auf jeden Fall stammen nachweislich die ersten wissenschaftlichen Berichte darüber hier aus dem UKL.“ Für die weitere wissenschaftliche Begleitung hat Dr. Daniel Gräfe deshalb ein Forschungsstipendium der Europäischen Gesellschaft für Kinderradiologie (ESPR) erhalten.
Auch andere Fachbereiche nutzen Technik
Mittlerweile sind auch viele Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kliniken des UKL von der Technik überzeugt und bitten bei Prof. Hirsch um deren Einsatz, zum Beispiel die Kinderchirurgen bei der Behandlung einer Trichterbrust oder Mund-Kiefer-Chirurgen, die bei Sprechproben gern die Bewegungen des Gaumens und der Zunge in Echtzeit sehen würden. Auch die Neurochirurgen seien begeistert und sähen viele Anwendungsbereiche, freut sich Radiologe Hirsch: „Wir sind in kurzer Zeit auf viel Interesse und Zustimmung zu unserem Schritt bei den klinischen Kollegen gestoßen.“
Im Oktober dieses Jahres wird Oberarzt Gräfe die neue Technik, ihren Einsatz am UKL und die Vorteile für Kinder, Eltern und Klinikum auf der nur alle fünf Jahre stattfindenden Internationalen Kinderradiologie-Tagung in Rom vorstellen.
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