Kommt der Prophet nicht zum Berg, dann … kommt das Team der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) eben zu seinen Patienten nach Hause. „Hometreatment“ nennt sich dieses Konzept.
Bereits vor Corona im Herbst 2019 eingeführt, musste es im Lockdown-Jahr 2020 pausieren. Seit einigen Monaten wird es nun wieder intensiviert. Die Ziele: Konstanten schaffen, Patienten nicht „verlieren“, Vertrauen aufbauen, zur Nutzung ambulanter Angebote motivieren. Dafür fahren die PIA-Mitarbeiter auch schon mal Straßenbahn mit ihren Patienten.
„An unserer Psychiatrischen Institutsambulanz dürfen wir schon immer Hausbesuche machen“, erklärt Prof. Christine Rummel-Kluge, Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKL und Leiterin des „Hometreatment“-Teams. Neu sei nun aber, dass die Teammitglieder extra dafür freigestellt seien und die häuslichen Behandlungen somit nicht „nebenbei“ machen müssten. Solch ein Hausbesuch dauere schon mal zwei Stunden oder mehr, doch auf diese Weise kann auch kurzfristigen Bedarfen leichter nachgegangen werden.
„In der Corona-Zeit haben wir gemerkt: Viele Patienten kommen nicht mehr in die Klinik – aus den unterschiedlichsten Gründen“, berichtet Prof. Rummel-Kluge, „Manche wegen der Schwere ihrer psychischen Erkrankung, andere, weil sie körperlich eingeschränkt sind oder Angst vor einer Infektion haben oder weil es mit einem Säugling und einem Geschwisterkind schwierig sein kann, die Betreuung zu organisieren.“ Gleichzeitig, so meint sie, seien durch die Lockdown-Maßnahmen auch noch die wichtigen Tagesstrukturen vieler Patienten weggefallen. Hier sei der Bedarf nun ungleich höher.
Hinzu kämen diejenigen, die in einer Krise keine institutionelle Hilfe in Anspruch nehmen möchten oder jene, die überholten Vorurteilen über psychiatrische Einrichtungen Glauben schenkten: „Doch auch diese Menschen erreichen wir mit unserem niederschwelligen Angebot zu Hause besser“, bestätigt die UKL-Expertin. „Wir müssen zuallererst Vertrauen aufbauen, und bei vielen Patienten gelingt dies eher zu Hause.“
Das Team besteht aus pflegenden, ärztlichen und psychologischen Mitarbeitern. Bei Bedarf können Mitarbeiter anderer Berufsgruppen „ausgeliehen“ werden. Rummel-Kluge: „Unser Wunsch ist es zudem, auch einen Sozialarbeiter fest ins Team aufzunehmen.“
Immer zwei Leute fahren zu einem Hausbesuch – je nach dem Anliegen und dem Zustand des Patienten. Bis zu zehn Besuche werden es pro Woche, meist innerhalb des dem UKL gesetzlich zugewiesenen Betreuungssektors im Süden von Leipzig. „Unsere Mitarbeiter sind nun nach der Impfung auch viel entspannter, den Wohnbereich ihrer Patienten zu betreten“, sagt die Oberärztin.
Wie wichtig der regelmäßige Kontakt zu den Betroffenen ist, schildert Prof. Rummel-Kluge beispielhaft: „Gerade im Zeitraum nach der Entlassung von Station und dem Übergang in die ambulante Behandlung gehen viele Patienten sozusagen verloren. Hier setzen wir an, stellen uns meist noch während des stationären Aufenthaltes vor und bauen danach durch regelmäßigen Kontakt zu Hause so viel Vertrauen auf, dass daraus bei den Betroffenen die Motivation erwächst, Gruppenangebote hier in unserer Ambulanz zu besuchen und daran teilzuhaben“, so die UKL-Expertin. Dafür habe sich das Konzept schon sehr bewährt. Auf diese Weise könnten Patienten auch schon mal eher stationär entlassen werden, als ursprünglich geplant.
Ihre Patienten mittels „Hometreatment“ auch soweit zu motivieren, in die Ambulanz zu kommen, hält Prof. Rummel-Kluge für überaus bedeutsam: „Gerade der soziale Austausch mit anderen Patienten ist enorm wichtig. Wir machen dafür vieles möglich, wenn es sein muss, begleiten wir unsere Patienten auch bei der Straßenbahnfahrt zu uns in die Ambulanz.“
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