Der Stadtforst Leipzig und der Staatsbetrieb Sachsenforst haben gemeinsame Richtlinien zur Erhöhung des Totholzanteils erarbeitet. Durch eine größere Strukturvielfalt und mit Totholzvorkommen soll mehr Lebensraum für eine Vielzahl an Arten geschaffen werden.
Zudem sollen ältere Bäume besser geschützt und der so genannte Prozessschutz – eine Waldentwicklung ohne jeden menschlichen Einfluss – ausgeweitet werden. Am Freitag (23.7.) wurden diese Richtlinien vorgestellt. Zudem soll der Managementplan für das FFH- und SPA-Gebiet Leipziger Auwald in Kooperation erstellt werden.
Sachsens Forstminister Wolfram Günther betonte vor Ort: „Die gemeinsamen Richtlinien von Stadt und Land zeugen von einem gemeinsamen Verständnis mit Blick auf Schutz und Entwicklung des Auwalds. Wenn die Forstleute nun mehr Totholz und alte Bäume im Wald belassen oder den Prozessschutz ausweiten, erhalten und schaffen sie Lebensräume für viele weitere Tier- und Pflanzenarten. Mir ist wichtig, dass die Akteure vor Ort zusammenarbeiten und abgestimmt vorgehen. Nur so können wir dieses bedeutsame und zugleich gefährdete Ökosystem erhalten und entwickeln. Schließlich steht der Auwald durch den menschlichen Einfluss der letzten Jahrzehnte und durch den Klimawandel erheblich unter Stress.“
Der Leipziger Auwald mit seinen großflächigen europäischen Schutzgebieten nach Flora-Fauna-Habitat (FFH) und Vogelschutzrichtlinie (SPA) ist ein wertvolles Ökosystem mit hochwertigen, artenreichen Lebensräumen. Der Klimawandel und damit einhergehende Krankheiten, wie das Eschentriebsterben und die Rußrindenkrankheit sowie Schädlingsbefall, gefährden die biologische Vielfalt des Leipziger Auwaldes.
Neben einer besseren Wasserversorgung des Auwaldes und dem Schaffen von Voraussetzungen für notwendige, regelmäßige Überschwemmungen der Auenbereiche, kann ein abgestimmtes forstliches Management dazu beitragen, das Ökosystem des Leipziger Auwaldes mit seinem Artenreichtum und besonderen Lebensräumen zu erhalten.
Die flächenmäßig größten Waldbesitzer im Leipziger Auwald sind die Stadt Leipzig sowie der Freistaat Sachsen. Deren Verwalter, der Sachsenforst-Bezirk Leipzig und die Abteilung Stadtforsten des Amtes für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig, haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten entsprechend reagiert und ihre Bewirtschaftung und Pflege des Leipziger Auwaldes auf die Erhaltung des Ökosystems ausgerichtet.
Grundsätzliche Zielstellungen wurden gemeinsam formuliert, so zum Beispiel die Erhöhung des Anteils standortgerechter, ökologisch wertvoller Stieleichen als Charakterbaumart des Auwaldes. Bei der Ausrichtung ihrer Ziele arbeiten die zwei Forstbetriebe eng mit amtlichen und ehrenamtlichen Naturschützern und mit wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen.
Auf dieser Grundlage bekennen sich der Stadtforst der Stadt Leipzig und der Sachsenforst des Freistaates Sachsen zu einer naturnahen Entwicklung im Leipziger Auwald und verfolgen dazu gemeinsam insbesondere folgende Vorhaben:
* Fortschreibung des Managementplanes für das FFH und SPA – Gebiet Leipziger Auwald unter breiter Beteiligung
* Ausweisung von Prozessschutzflächen im Leipziger Auwald / Totholzmanagement
* Erhalt durchmesserstarker und alter Charakterbäume im Hartholzauwald
Fortschreibung des Managementplanes (MAP) für das FFH-Gebiet Landesmeldenummer 050 E „Leipziger Auensystem“ (4639-301) und das SPA V05 „Leipziger Auwald“ (4639-451)
Als wesentliches Instrument für eine ökologisch ausgerichtete Forstwirtschaft dient der Managementplan des SPA und FFH – Gebietes „Leipziger Auensystem“. Der bestehende und in dieser Fassung behördenverbindliche Plan gilt seit 2012.
Umweltveränderungen, die aufgrund der letzten Extremjahre bedingten Vitalitätseinschränkungen vieler Waldbäume sowie Initiativen mit dem Ziel der Wiederherstellung einer natürlichen Auendynamik erfordern eine Aktualisierung der Fachplanungen und Maßnahmen. Der zurzeit gültige MAP soll 2022 überarbeitet werden, um ihn den Herausforderungen des Naturschutzes und klimatischen Herausforderungen besser anzupassen.
Ausgehend von der Initiative der Stadt Leipzig wird der Überarbeitungsprozess gemeinsam von Stadt Leipzig und Freistaat Sachsen verantwortet. Das liegt im zentralen Interesse beider Forstbetriebe. Dabei wird eine breite Beteiligung der betroffenen Verbände im Überarbeitungsprozess stattfinden.
Prozessschutz und Totholzmanagement im Leipziger Auwald: Der Auwald wird ein Stück „wilder“ – mehr Totholz für einen lebendigen Wald
Zum Strukturreichtum der Lebensräume gehört auch deren ausreichende natürliche Ausstattung mit Biotopbäumen und Totholz. Die gezielte Entwicklung des Totholzanteils schafft vielfältige Strukturen sowie Licht-, Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse und erhöht somit die Vielfalt des Lebensraumes. Besonders wichtig im Leipziger Auwald ist stehendes Totholz von alten Stieleichen.
Beide Betriebe entwickelten mithilfe wissenschaftlicher Expertise Handlungsrichtlinien zur Erhöhung des Totholzvorrates, die an die jeweiligen Baumarten und Altersstrukturen ihrer Waldbestände angepasst sind. Durch die Erhöhung der Strukturvielfalt und des Totholzvorkommens in Wäldern soll mehr Lebensraum für eine Vielzahl an Arten geschaffen werden.
Die »Handlungsrichtlinien zur Erzielung von Biotopbäumen und ökologisch ausreichenden Totholzmengen im Stadtwald des Leipziger Auwaldes« wurden am 25.03.2021 als Bestandteil des Forstwirtschaftsplanes 2021 in der Ratsversammlung der Stadt Leipzig beschlossen. Die Leitlinien besagen, dass je nach Baumart und der Alter sowie erreichtem Durchmesser, Bäume aus der Nutzung zu nehmen sind, um diese für die Entwicklung von Biotopbäumen und für mehr Totholz bereitzustellen. Langfristiges Ziel ist ein durchschnittlicher Totholzvorrat von 50 m3/ Hektar.
Dem sind beide Betriebe schon sehr nah gekommen. Der Totholzvorrat in den Altbeständen des Leipziger Stadtwaldes wird zurzeit auf ca. 40-50 m3 / Hektar geschätzt. Die letzte Stichprobeninventur im Staatswald aus dem Jahr 2019 wies einen durchschnittlichen Totholzanteil von 39 m3 / Hektar aus. Die Erhebung fand statt, bevor die Auswirkungen der letzten Dürrejahre sichtbar wurden, so dass der Totholzanteil inzwischen deutlich gestiegen ist.
Zum Erhalt des Hartholzauwaldes, vor allem zur langfristigen Sicherung der ökologisch wichtigen Stieleichen, die unter den gegebenen Bedingungen in der Naturverjüngung so gut wie nicht vorkommen, war und ist ein forstliches Management erforderlich. Die forstlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen dienen jeweils vorrangig Artenschutzaspekten. Darüber hinaus werden wir den Prozessschutz, eine Waldentwicklung ohne jeden menschlichen Einfluss, als wichtigen naturschutzfachlichen Ansatz und ein Lehrbeispiel für die weiteren Managemententscheidungen, weiter stärken.
Dazu sind in den Leipziger Auwäldern des Sachsenforstes und der Stadt Leipzig jeweils rund 100 Hektar Waldfläche vollständig aus der forstlichen Nutzung herausgenommen und als Referenzflächen ausgewiesen. Damit sind zurzeit 224 ha (15,3 %) der Waldfläche im FFH-Gebiet 50E aus der Bewirtschaftung, ca. 10 % der Stadtwaldfläche und ca. 24 % des Landeswaldes. Im Gebiet des Stadtforstes werden mittelfristig 20 ha hinzukommen.
Die größten zusammenhängenden Prozessschutzflächen im Stadtwald befinden sich im Kanitzsch bei Gundorf (rund 11,3 Hektar), in der westlichen Burgauenspitze (rund 30,5 Hektar), im Connewitzer Holz (rund 27,8 Hektar) und im Waldgebiet Lauer (rund 28,6 Hektar). Weitere Ausweisungen sind vorgesehen.
Als integratives naturschutzfachliches Element sind über die gesamte Landeswaldfläche darüber hinaus in der Nord-West-Aue 102 so genannte Biotopbaumgruppen mit je 10-15 Starkbäumen dauerhaft markiert und dem natürlichen Zerfall überlassen, im Leipziger Stadtwald wurden bereits ca. 10.000 Biotop- und Starkbäume erfasst und aus der Nutzung herausgenommen.
Erhalt durchmesserstarker und alter Charakterbäume im Hartholzauwald
Alte und starke „Methusalem“-Bäume haben eine besondere Bedeutung für den Naturschutz. Viele Arten sind an Alt- und Totholz gebunden. Neben dem längerfristigen Erhalt starker und alter Bäume, vorzugsweise der hinsichtlich der Biodiversität besonders wertvollen Eichen, ist auch die gezielte Entwicklung jetzt noch schwächerer Bäume (dem Starkholz von morgen) im Fokus. Dafür sind z.B. Baumkataster eine wichtige Grundlage.
Grundsätzlich werden bis zur Überarbeitung des MAP standortheimische Laubbäume mit einem Brusthöhendurchmesser von über 80 cm im Lebensraumtyp Hartholzauwald nicht mehr im Zuge der Bestandspflege oder wirtschaftlichen Nutzung gefällt.
Aufgrund verschiedenster Bestandssituationen und zur Erreichung des jeweiligen Entwicklungszieles muss ein entsprechendes System flexibel sein, oberste Priorität hat dabei die Erhaltung und Entwicklung der FFH-Lebensräume bzw. Arthabitate. Beide Forstbetriebe arbeiten hier nach konkreten Handlungsrichtlinien und Kartierungen.
In der Stadt Leipzig liegt dem Starkholzkonzept z.B. eine Starkbaumkartierung zugrunde und werden die Bäume je nach Baumart unterschiedlich, gestaffelt nach Alter und ab einem erreichten Zieldurchmesser aus der Nutzung genommen. Bei beiden Betrieben untersetzt die aktuelle Forsteinrichtungsplanung unter Nutzung von Inventurdaten dauerhaft angelegter Stichprobenpunkte (Waldinventur Sachsen – WISA) und weiterer Monitoringflächen dieses Ziel.
Um naturschutzfachliche Zielstellungen, z.B. über die Erfassung von Mikrohabitaten, besser in die nachhaltige Waldbewirtschaftung zu integrieren und auch messbar zu machen wurde ein sogenanntes Marteloskop eingerichtet. Dieses sogenannte Marteloskop ist in das Integrate Network des Europäischen Forstinstitutes (EFI) eingebunden.
Es gibt 2 Kommentare
als kleiner Nachtrag noch der link zu einem Film über den Leipziger Auwald, in dem die Forstwirtschaft von Sachsenforst und Stadtforsten näher beleuchtet wird:
https://www.youtube.com/watch?v=F2PhppM-bIk
Man könnte ja glauben, es habe sich mittlerweile eine gewisse Denkänderung vollzogen, aber hierfür gibt es leider keinerlei Anzeichen. So zeigt der Text zu dem gerühmten sog. Totholzkonzept, dass es nur ein Ziel gibt: Ein “Weiter so”. So werden die bisherigen Methoden der intensiven Altdurchforstungen, Schirmhiebe und Kahlschlagswirtschaft – zur Etablierung von Eichenmonokulturen, bezeichnet als “Eichenverjüngung” – einfach als geeignete Methoden zur langfristigen Totholzsicherung bezeichnet.
Es ist völlig richtig, dass der Managementplan zum FFH-Gebiet “Leipziger Auensystem” neu geschrieben werden muss. Er ist einem statischen und reduktionistischen Verständnis von Naturschutz unterworfen worden, v.a. auch dadurch, dass er zu einem großen Teil von den Forstverwaltungen mitgeschrieben und bestimmt wurde.
Und jetzt soll die Überarbeitung in Kooperation mit Stadtforsten und Sachsenforst erfolgen? Haben die Forstverwaltungen nicht genügend bewiesen, wie sie die Waldökosysteme im Leipziger Auwald beschädigt haben. Siehe z.B. die drastische Zerhackung des Waldgebietes Kanitzsch durch Sachsenforst und die Mittelwaldkatastrophe in der Burgaue. Und an eine Waldwende hin zu einer systemischen Denkweise denken beide keinesfalls, im Gegenteil. So beweist auch das sog. Totholzkonzept von Stadtforsten und fast noch schlimmer die Vorstellung des sog. Leipziger Modells, dass weiterhin nicht an Auwald gedacht wird, sondern an Kunstforste mit fest definierten Baumartenverteilungen.
Nein, die Forstverwaltungen müssen gerade draußen bleiben bei der Neubearbeitung des Managementplans!!! Es muss eine Naturschutzplanung werden, durch systemisch denkende Biologen, Waldökologen und Auenökologen geschrieben!!! Ansonsten ist der Auenwald endgültig verloren…