An der nächsten digitalen „Fachkonferenz Teilgebiete“ im Rahmen der Suche nach einem Atommüll-Endlager in Deutschland werden vom 10. bis 12. Juni 2021 auch Experten des nordsächsischen Umweltamtes teilnehmen und die Interessen des Landkreises vertreten.
Diskutiert wird der Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung, der 90 mögliche Standorte benennt, darunter auch in Nordsachsen. Die erste von drei Fachkonferenzen fand – pandemiebedingt gleichfalls online – im Februar 2021 mit rund 800 Teilnehmern statt. Bei den Veranstaltungen kommen Bürger, Wissenschaftler, Vertreter von Gebietskörperschaften und gesellschaftlichen Organisationen in verschiedenen Arbeitsgruppen miteinander ins Gespräch.
„Die Fachdebatten stehen zwar erst am Anfang, doch schon jetzt ist erkennbar, dass die Stellungnahmen der geologischen Landesämter, der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe und die vom Nationalen Begleitgremium in Auftrag gegebenen Gutachten viel stärker Berücksichtigung finden müssen“, sagt Roger Flögel, Geologe im Umweltamt.
„Für den Zwischenbericht wurden vor allem Literaturdaten zusammengestellt, die auch noch unvollständig sind. Dadurch sind die Teilgebiete zu groß ausgewiesen. Das hat wiederum zur Folge, dass eine umfassende Auswertung nach physikalischen, chemischen und geologischen Eigenschaften der Wirtsgesteine auch für Nordsachsen noch aussteht.“
Umweltdezernent Dr. Eckhard Rexroth ist sich sicher: „Betrachtet man die im Landkreis Nordsachsen gelegenen kristallinen Gesteinsformationen, so sind diese sowohl hinsichtlich ihrer geologischen Merkmale als auch ihrer Flächenausdehnung im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands als wenig geeignet zu bewerten.“ Für ihn stehe zudem fest, dass kurzfristig keine Entscheidung zu einem Endlager-Standort fallen wird. Dazu sei das Thema sowohl fachlich als auch politisch und emotional viel zu anspruchsvoll.
Nordsachsens Landrat Kai Emanuel befürwortet den transparenten Entscheidungsprozess und erwartet gleichfalls noch länger anhaltende, intensive Debatten: „Ich kann mir an deren Ende allerdings nicht vorstellen, dass der Strukturwandel im Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlerevier, für den Bund und Land viele Milliarden Euro in die Hand nehmen, zu einem Atommüll-Endlager führt. Unter dem Begriff Lebenswerter Landkreis, dem unser Kreisentwicklungskonzept gewidmet ist, verstehe ich gleichfalls etwas Anderes.“
Der Prozess der Endlager-Suche gliedert sich auf Grundlage des 2017 neu gefassten Standortauswahlgesetzes in drei Phasen:
- Identifizierung möglicher Standortregionen
- Übertägige Erkundung und daraus folgend Vorschlag für untertägige Erkundung
- Untertägige Erkundung und Standortentscheidung bis zum Jahr 2031
Derzeit läuft die erste Phase. Bei der Identifizierung der 90 möglichen Endlager-Standorte galten Salz (74 Teilgebiete), Ton (neun Teilgebiete) und Kristallin (sieben Teilgebiete mit Granit bzw. granitähnlichem Gestein) als geeignetes Wirtsgestein. Für den Freistaat Sachsen sind im Zwischenbericht vom September 2020 drei Teilgebiete ausgewiesen, von denen zwei auch Nordsachsen mit Vorkommen an Kristallin-Gestein betreffen.
Eine Fachstellungnahme des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie kam im Januar 2021 jedoch zu dem Ergebnis, dass die Mindestanforderungen an die Teilgebiete nicht einmal auf der Hälfte der ausgewiesenen Flächen gegeben sind. Lediglich der sogenannte „Delitzscher Pluton“ mit ca. 104 km², der Granodiorit von Eilenburg mit ca. 62 km², der Nordsachsen tangierende Granit-Pluton von Pretzsch-Prettin mit ca. 122 km², der Granodiorit von Schildau mit ca. 50 km² und der Granodiorit von Dahlen-Laas mit ca. 110 km² erfüllen rein formal die Mindestanforderungen an ein Wirtsgestein innerhalb der beiden nordsächsischen Teilgebiete. Die tatsächlich geeigneten Flächen sind jedoch aufgrund geologischer Störungen und weiterer Faktoren deutlich kleiner.
Wer das Verfahren verfolgen möchte: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung gibt unter www.endlagersuche-infoplattform.de jederzeit öffentlich Einblick in den aktuellen Stand.
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