Um im Ernstfall schnell reagieren zu können, müssen Katastrophenschutzstäbe regelmäßig üben. Tatsächlich geschieht dies jedoch viel zu selten, weil die Vorbereitung und Durchführung solcher Übungen umständlich und aufwendig ist.
Gemeinsam mit dem Institut für Brand- und Katastrophenschutz (IBK) in Heyrothsberge wollen Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) das ändern, unter anderem mit einer digitalen Stabsbasis und Katastrophensimulationen. Dafür hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) insgesamt 1,4 Millionen Euro für zwei Jahre bewilligt.
Bei einer Katastrophe, wie Hochwasser oder einem großflächigen Stromausfall, muss schnell gehandelt werden. Kommunen haben dafür Katastrophenschutzstäbe, also eine Gruppe von Personen, die im Ernstfall zusammenkommen und die nötigen Aktionen koordinieren. Unter ihnen sind Feuerwehrkräfte ebenso wie Mitglieder der kommunalen Verwaltung.
„Da kommen Menschen mit sehr unterschiedlichen Vorrausetzungen zusammen, von gut geschulten Feuerwehrleuten bis zu solchen, die nur einen Grundlehrgang absolviert haben“, sagt Dr. Michael Neske, Leiter der Abteilung Forschung am IBK in Heyrothsberge, das Feuerwehrleute für Sachsen-Anhalt und darüber hinaus ausbildet. Neske ist Leiter des Projekts „IT-gestütztes Lageübungs-System für Aus- und Weiterbildung in der Stabsarbeit“, kurz ILAS, das zusammen mit der MLU für eine bessere Vorbereitung sorgen will.
„Eigentlich sind die Landkreise verpflichtet, einmal im Jahr Stabsrahmenübungen durchzuführen“, so Neske. Doch in der Praxis lässt sich dies nicht immer einhalten, die Vorbereitung sei sehr aufwendig. Zudem fehle zuweilen der regelmäßige Umgang mit der Stabssoftware, über die unter anderem wichtige Informationen wie Kontaktdaten, Verfügbarkeit von Ressourcen oder Hinweise auf Gefahrengüter bereitgestellt werden.
Damit die Hürden für Übungen geringer werden, sollen im Rahmen des neuen Projekts zusammen mit der MLU viele der Lerninhalte digitalisiert und einfach zugänglich werden. „Momentan werden die Übungen vom Stabsleiter per Hand vorbereitet und gesteuert – das ist mit hohem zeitlichen Aufwand bei allen Beteiligten verbunden“, sagt Prof. Dr. Stefan Sackmann vom Institut für Wirtschaftsinformatik der MLU, der das Teilprojekt in Halle leitet.
Szenarien und mögliche Ereignisse, auf die Übungsteilnehmer reagieren müssen, werden in umfangreiche Tabellen eingetragen. Beim Hochwasser könnte ein solches Ereignis etwa ein bevorstehender Deichbruch sein. Je nach Sachgebiet müssten Teilnehmende dann beispielsweise Spontanhelfende koordinieren oder Medienanfragen beantworten. Unter anderem aus diesem Material sollen nun digitale Drehbücher und automatisierte Simulationen entwickelt werden.
Über einen Szenarien-Editor soll es laut Sackmann weiter möglich sein, die Übungen nach Bedarf schnell und einfach anzupassen oder neue Szenarien zu entwickeln.
Im IBK wird zudem ein exemplarischer Stabsraum eingerichtet, der mit der benötigten Technik für digitale Katastrophenübungen ausgestattet sein soll.
Zusätzlich sollen E-Learning-Module und Einzelübungen entwickelt werden, die Stabsmitglieder individuell am eigenen Arbeitsplatz in ihren Heimatbehörden bearbeiten könnten. Dabei wird beispielsweise der Umgang mit der Stabssoftware geübt. „So wollen wir den Beteiligten die Möglichkeit geben, sich individuell einzuarbeiten, damit alle bei der gemeinsamen Übung auf einem ähnlichen Niveau sind“, sagt Neske.
Die Module sollen im IBK zunächst an der Stabssoftware DISMA des Landes Sachsen-Anhalt getestet werden. Sie werden jedoch in einem offenen Format entwickelt. „Nicht alle Bundesländer arbeiten mit DISMA. Die von uns entwickelten Module sollen perspektivisch aber von allen genutzt werden, das stellen wir auf der technischen Seite sicher“, so Sackmann. Insgesamt erhofft sich das Projektteam von der Automatisierung und Digitalisierung daher eine bessere Vorbereitung für den Ernstfall in ganz Deutschland.
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