Die neue Verfassung Sachsen-Anhalts enthält einen Artikel, der jede und jeden Einzelnen verpflichtet, gegen die Verbreitung nationalsozialistischen, rassistischen und antisemitischen Gedankenguts vorzugehen. Doch was folgt daraus, und was bedeutet das für Hochschulen und speziell die Ausbildung von Juristinnen und Juristen?
Diesen Fragen widmet sich eine neue Vorlesungsreihe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), die am Montag, 10. Mai, um 18 Uhr beginnt. Im Laufe der Reihe wird auch Richterin Ursula Mertens über ihre Erfahrungen im Prozess gegen den Attentäter von Halle berichten. Die Vorträge finden als Online-Veranstaltung statt.
Die kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus und Nationalsozialismus hat in Politik und Gesellschaft in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Gründe dafür sind vielfältig, darunter Terroranschläge aus rassistischen und antisemitischen Motiven wie zuletzt in Halle oder Hanau.
„Vor dem Hintergrund des Anschlags in Halle wollte man in Sachsen-Anhalt auch auf der höchsten rechtlichen Ebene ein Zeichen setzen“, sagt der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Winfried Kluth von der MLU. In die ohnehin anstehende Verfassungsänderung wurde deswegen der neue Artikel 37a zur Nichtverbreitung nationalsozialistischen, rassistischen und antisemitischen Gedankenguts aufgenommen und im März 2020 verabschiedet.
So ein Passus in einer Landesverfassung sei einzigartig, so Kluth: „Er enthält die Verpflichtung jedes Einzelnen, gegen die Verbreitung entsprechenden Gedankenguts aktiv zu werden. Das hat Folgen für die Hochschulen und speziell auch für die Ausbildung von Juristinnen und Juristen in Sachsen-Anhalt.“
Parallel hat auch das Bundesjustizministerin angeregt, das Deutsche Richtergesetz durch eine Regelung zu ergänzen, die eine kritische Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und seinen Auswirkungen auf das Recht zu einem verpflichtenden Thema der Juristenausbildung machen soll.
Beide Impulse sollen durch die Ringvorlesung „Reflektionen zu Nationalsozialismus und Rassismus im Rahmen der Juristenausbildung“ aufgegriffen und umgesetzt werden. Dabei soll nicht nur Artikel 37a und dessen Auswirkungen diskutiert, sondern auch allgemein Rassismus in Deutschland oder der Einfluss des Nationalsozialismus auf die Juristenausbildung behandelt werden. Zudem wird die Vorsitzende Richterin im Oberlandesgericht Naumburg Ursula Mertens von den Erfahrungen aus dem Halle-Prozess berichten.
Die Vorträge finden immer montags um 18 Uhr als Videokonferenz statt.
Die Themen im Überblick:
10. Mai 2021: Dr. Maria Alexopoulou (TU Berlin, Zentrum für Antisemitismusforschung): Rassismus in Deutschland in Geschichte und Gegenwart
17. Mai 2021: RA Dr. Martin Würfel (München): Der Einfluss des Nationalsozialismus auf die Juristenausbildung
31. Mai 2021: Prof. Dr. Armin Höland (MLU): Die Bedeutung von Erinnerungskultur und ihre Ausgestaltung: Das Beispiel der „Auschwitz-Seminare“ und Dr. Anton Hieke: Das Ilan-Bildungsprogramm als Erweiterung und Gegengewicht zur Erinnerungskultur
7. Juni 2021: Ursula Mertens (Vorsitzende Richterin im Oberlandesgericht Naumburg): Eindrücke und Lehren aus dem Halle-Prozess
14. Juni 2021: Prof. Dr. Emanuel V. Towfigh (EBS Law School Wiesbaden): Geschlechts- und Herkunftsaspekte bei der Benotung juristischer Staatsprüfungen
5. Juli 2021: Sabine Knickrehm (Vorsitzende Richterin im Bundessozialgericht) und Dr. Christian Mecke (Richter im Bundessozialgericht): Die Entschädigung von NS-Unrecht am Beispiel Sara Nussbaums – Vom alliierten Entschädigungsrecht zur Ghetto-Rente
Interessierte können an den Vorträgen online per Videokonferenz teilnehmen.
Die Anmeldung erfolgt über das Sekretariat des Lehrstuhls für Öffentliches Recht: sekretariat.lskluth@jura.uni-halle.de
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