Uwe Platzbecker, Professor für Hämatologie der Universität Leipzig und Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik für Hämatologie, Zelltherapie und Hämostaseologie am hiesigen Universitätsklinikum, spricht anlässlich des Weltblutkrebstages am 28. Mai über den Stand der Blutkrebsforschung, den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Krankheit und das neue Innovationsprojekt SaxoCell, ein sächsisches Zentrum für Zell- und Gentherapie.
„Leukämie muss heilbar werden. Immer und bei jedem“ – so lautete das Ziel des Startenors José Carreras, der vor 25 Jahren die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung gründete und selbst an Blutkrebs erkrankte. Wie nah ist die Wissenschaft diesem Ziel?
„Diese Aussage ist auch heute noch Leitsatz der José Carreras Leukämie-Stiftung. Wir sind also nach wie vor nicht an dem Punkt, den wir für unsere Patienten erreichen wollen. Viele Betroffene sterben leider auch heute noch trotz adäquater Therapie. Aber wir haben in den letzten fünf Jahren erhebliche Fortschritte in der Forschung gemacht, vor allem bei der Behandlung älterer Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML), der häufigsten akuten Blutkrebserkrankung.
Es gibt neue Kombinationstherapien, die dazu führen, dass etwa zwei Drittel der Patienten in eine Phase der Krankheitskontrolle kommen, die teilweise Jahre andauert. Früher sind viele AML-Patienten im ersten halben Jahr nach der Diagnose verstorben. Jetzt profitieren sie von diesen neuen Forschungsergebnissen. Dies gilt auch für jüngere Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL), für die jetzt CAR-T Zellen zum Einsatz kommen können, eine neuartige Krebsimmuntherapie.“
Wie stark sind die Menschen in Deutschland aktuell von der Krankheit Blutkrebs betroffen?
„Wenn man die Anzahl der Neuerkrankungen betrachtet, dann ist Blutkrebs deutlich weniger häufig als Brustkrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs. Aber Blutkrebs im Allgemeinen wird immer häufiger diagnostiziert, weil die Bevölkerung immer älter wird. Der größte Risikofaktor für die Krankheit ist das Alter.“
Wie sehr sind die Forschung und die ärztliche Versorgung dieser Krankheit durch die Corona-Pandemie beeinflusst worden?
„Wir haben bemerkt, dass einige Patienten erst im fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung zu uns kamen, weil sie Ärzte viel später aufgesucht haben. Bei uns sind alle Ressourcen in den vergangenen Monaten in den Erhalt der Krankenversorgung geflossen. Der Fokus auf die Forschung ist dadurch nicht immer mit voller Kraft möglich gewesen.
Wir haben einige Patienten mit Blutkrebserkrankungen verloren, die sich parallel mit COVID-19 infiziert haben. Wir wissen, dass insbesondere Blutkrebspatienten viel anfälliger sind, an COVID-19 zu versterben als Patienten mit soliden Tumoren, also Krebserkrankungen, deren Ursprung in den Organen liegt.“
Die Leipziger Universitätsmedizin ist ein wichtiger Teil des Innovationsprojekts SaxoCell, ein Cluster für Präzisionstherapie, das im Herbst weiter Form annehmen soll. Welche Ziele verbinden Sie als Co-Sprecher mit dem interdisziplinären Projekt?
„Wir erwarten, dass der Standort Leipzig zum Motor für die Entwicklung und Anwendung von Zell- und Gentherapie und attraktiver für die pharmazeutische Industrie wird. Das Ziel ist, dass Firmen sich hier niederlassen und Innovation vor Ort generieren, indem sie innovative Forschung durchführen und diese in die klinische Anwendung umsetzen.
Außerdem erwarten wir durch das Projekt eine engere Kooperation mit Dresden, dem SaxoCell-Partner, damit wir in Sachsen weiter zusammenwachsen und stark nach außen auftreten können. Drittens wünschen wir uns, dass wir im Rahmen von klinischer Forschung unseren Patienten auch Studien anbieten können, um mit Zell- und Gentherapien nicht nur lokal, sondern auch national in den nächsten Jahren sichtbar zu werden.“
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