Mit einem heute veröffentlichten Normenkontrollurteil hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht § 2 der ersten im Freistaat Sachsen in Kraft getretenen Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 31. März 2020 (SächsCoronaSchVO) für unwirksam erklärt.
Diese Vorschrift galt im Zeitraum vom 1. bis 20. April 2020. Mit ihr wurde damals das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund untersagt und 15 triftige Gründe einzeln aufgeführt, die zum Verlassen der Unterkunft berechtigten. Unter anderem gehörte dazu gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 14 SächsCoronaSchVO „Sport und Bewegung im Freien vorrangig im Umfeld des Wohnbereichs … ausschließlich alleine oder in Begleitung des Lebenspartners bzw. mit Angehörigen des eigenen Hausstandes oder im Ausnahmefall mit einer weiteren nicht im Hausstand lebenden Person“.
Obwohl die Vorschrift nur bis 20. April 2020 galt, blieb das dagegen geführte Normenkontrollverfahren weiter zulässig. Die Corona-Schutz-Verordnungen gelten typischerweise nur kurz und treten regelmäßig außer Kraft, bevor ihre Rechtmäßigkeit abschließend gerichtlich geklärt werden kann. Mit den Ausgangsbeschränkungen in § 2 SächsCoronaSchVO sind jedoch erhebliche Grundrechtseingriffe verbunden, deren gerichtliche Überprüfung möglich sein muss. Zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes war deshalb auch noch nachträglich durch Normenkontrollurteil über die Wirksamkeit der Vorschrift zu entscheiden.
In der Sache stützte sich die Verordnung zwar auf eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung (damals § 28 Abs. 1 i. V. m. § 32 des Infektionsschutzgesetzes des Bundes in der Fassung vom 30. März 2020). Jedoch war § 2 Abs. 2 Nr. 14 SächsCoronaSchVO zu unbestimmt und damit unwirksam. Das führte zur Unwirksamkeit des § 2 SächsCoronaSchVO insgesamt, weil die Ausgangsbeschränkung in der dann noch verbleibenden Form – ohne die Möglichkeit, die häusliche Unterkunft für Sport und Bewegung im Freien als triftigem Grund zu verlassen – eine unangemessen schwere Belastung für alle Betroffenen dargestellt hätte.
Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hatte das Gericht zwar noch angenommen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 14 SächsCoronaSchVO voraussichtlich hinreichend bestimmt ist, weil z.B. das „Umfeld des Wohnbereichs“ mit etwa 10 bis 15 Kilometern um die Wohnung bemessen werden kann (vgl. Medieninformationen Nr. 2/2020 und Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. April 2020 – 3 B 111/20 -). Damals war jedoch angesichts der von einer nicht sicher abzuschätzenden Gefahrenlage und einer besonderen Eilbedürftigkeit der Entscheidung geprägten Gesamtsituation nur eine vorläufige Festlegung möglich.
Aufgrund der nunmehr nachträglich, im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vorgenommenen Untersuchung der Bestimmtheit kann daran nicht mehr festgehalten werden. Denn für die in der Norm verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe „Bewegung“, „vorrangig im Umfeld des Wohnbereichs“ und „im Ausnahmefall mit einer weiteren nicht im Hausstand lebenden Person« lässt sich trotz der offiziellen Erläuterungen des Verordnungsgebers und auch unter Zuhilfenahme anerkannter Methoden der Gesetzauslegung nicht ermitteln, welches Verhalten im Einzelnen noch erlaubt war und welches nicht. Das hatte wegen der empfindlichen Geldbußen, die bei Verstößen in § 5 Abs.2 SächsCoronaSchVO angedroht wurden, erhebliche Bedeutung.
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Beteiligten können deshalb binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Revision zum Bundesverwaltungsgericht erheben.
SächsOVG, Normenkontrollurteil vom 21. April 2021 – 3 C 8/20 –
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