Wie ist es um die Bildung und die Bildungschancen geflüchteter Kinder und Jugendlicher in Deutschland bestellt? Mit dieser Frage befasst sich eine neue Nachwuchsforschungsgruppe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
Ziel ist es, einen Überblick über die Situation von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrungen zu bekommen, bereits existierende Integrationsmaßnahmen zu evaluieren und auf dieser Grundlage Empfehlungen für die Bildungspolitik zu entwickeln. Für das Projekt stehen in den kommenden fünf Jahren rund 1,6 Millionen Euro zur Verfügung.
Seit dem Sommer 2015 sind viele Geflüchtete nach Europa gekommen. Laut Statistischem Bundesamt sind darunter auch etwa 300.000 Kinder und Jugendliche, die heute in Deutschland leben. „Auch nach fünf Jahren weiß man immer noch nur sehr wenig über die Bildungssituation dieser Kinder und Jugendlichen. Dabei stellt Bildung die vielleicht wichtigste Weichenstellung für das weitere Leben dar“, sagt der Soziologe Dr. Oliver Winkler von der MLU, der die neue Nachwuchsforschungsgruppe leitet.
Erst seit kurzer Zeit liegen repräsentative Daten zur Situation geflüchteter Heranwachsender vor, die im Rahmen verschiedener bundesweiter Bevölkerungsstudien erhoben werden. Diese umfangreichen Datensätze sollen nun systematisch ausgewertet werden. Den Forschenden geht es dabei um vier Aspekte: Bildungsübergänge, etwa von der Grund- zu einer weiterführenden Schule, Bildungsbeteiligung in der Sekundarstufe I, schulische Kompetenzen wie Lesen und Rechnen sowie den Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung.„Anhand dieser Analysen wollen wir zunächst einen systematischen Überblick über die Gesamtsituation in Deutschland erstellen und untersuchen, inwieweit die Bildungschancen geflüchteter Kinder und Jugendlicher durch soziale Ungleichheit beeinflusst sind“, erklärt der Forscher.
In einem zweiten Schritt sollen dann die regionalen Unterschiede herausgearbeitet werden. Zwischen den einzelnen Bundesländern und Kommunen bestehen große Unterschiede in Bezug auf Förder- und Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete: „Das fängt bereits bei der Frage an, wie Geflüchtete in einzelnen Kommunen untergebracht werden und erstreckt sich auf verschiedene Maßnahmen in Schulen zur Integration“, sagt Winkler.
Während es etwa in einigen Schulen spezielle Willkommensklassen gibt, in denen grundlegende Deutschkenntnisse vermittelt werden, integrieren andere Schulen die Kinder und Jugendlichen direkt in den Regelunterricht, teils unterstützt durch weiteres Personal, teils ohne. Hier will das neue Forschungsprojekte anhand der nun vorliegenden Daten überprüfen, welche Maßnahmen welche Effekte haben. „Wir wollen daraus auch ableiten, was Schulen unternehmen könnten, um die Bildungsintegration weiter zu verbessern“, so Winkler.
Im späteren Verlauf des Projekts sollen zudem Interviews mit Jugendlichen geführt werden, um genauere Erkenntnisse über deren Ziele und Ambitionen zu gewinnen und zu überprüfen, ob diese Wünsche durch die bisherigen Integrationsmaßnahmen sowie durch individuelle Erfahrungen im Schulverlauf seit der Ankunft in Deutschland eher gebremst oder verstärkt werden. Weiterhin ist auch ein internationaler Vergleich der Bildungssituation geflüchteter Kinder und Jugendlicher geplant.
Das Projekt findet in Kooperation mit Forschenden aus der Soziologie, Pädagogik, Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaften der MLU sowie dem Leibniz-Institut für Bildungsverläufe statt.
Weitere Informationen zum Projekt unter: https://soziologie.uni-halle.de/edireg/
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