Insgesamt 83 sächsische Polizeibedienstete beteiligten sich in den vergangenen sechs Jahren an Missionen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, vornehmlich im Grenzraum in Griechenland, Bulgarien und Italien. Dies zeigt die Antwort auf eine Anfrage (Drucksache 7/5569) der Linken-Abgeordneten Juliane Nagel.
Die Bediensteten werden auf freiwillige Meldung hin an die Bundespolizei abgeordnet und den Frontex-Einsätzen zugewiesen. Derzeit befinden sich zwei in Frontex-Einsätzen in Italien bzw. Griechenland. Drei sächsische Polizeibedienstete waren im August 2020 auf den griechischen Inseln im Einsatz, als dort ein von Spiegel und „Report Mainz“ recherchierter Pushback unter Beteiligung der Bundespolizei stattfand.
Das gewaltsame und lebensgefährliche Zurückdrängen von Geflüchteten ins türkische Meer ist bei weitem kein Einzelfall. Auf Bundesebene forderte seinerzeit u.a. die Regierungsfraktion SPD den Rückzug der Bundespolizei von Frontex-Missionen.
Die Grenzschutzagentur steht aufgrund ihrer mutmaßlichen Beteiligung an illegalen Pushbacks an der EU-Außengrenze zur Türkei und Treffen mit Waffenlobbyisten stark in der Kritik. Unter anderem wurde auf Druck des EU-Parlaments im dortigen Innenschuss eine ständige Arbeitsgruppe zu Frontex eingerichtet, die aktuell eine viermonatige Untersuchung zu den push-back-Vorwürfen durchführt. Außerdem wird derzeit die Freigabe der immensen Haushaltsmittel für Frontex blockiert.
Dazu erklärt Juliane Nagel, asylpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag:
„Solange die Beteiligung von Frontex an illegalen Pushbacks nicht zweifelsfrei aufgeklärt ist und Transparenz sowie demokratische Kontrollmöglichkeiten zur Arbeit dieser Grenzschutzagentur fehlen, darf sich Sachsen nicht an den zweifelhaften Einsätzen beteiligen.
Ich fordere den entlassungsreifen Innenminister Roland Wöller auf, umgehend zu handeln! Er muss sich aktiv um Aufklärung kümmern, anstatt lediglich mitzuteilen, dass keine Erkenntnisse zur Beteiligung sächsischer Polizeibediensteter an illegalen Pushbacks vorliegen. Es darf weder eine direkte noch eine indirekte Beteiligung Sachsens an Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen geben.“
Dr. Cornelia Ernst, sächsische Europaabgeordnete und Mitglied der Frontex-Arbeitsgruppe im EU-Parlament, ergänzt:
„Seit Jahren gibt es umfassende Berichte und Dokumentationen über die Situation an den EU-Außengrenzen und von den unzähligen Menschenrechtsverletzungen im Rahmen von push-backs. Wir sind es leid! Auch die Bundesregierung und die sächsische Landesregierung kennen die Zustände in Griechenland genau. Die Mitgliedsstaaten haben einen Sitz im Frontex Management Board und damit auch die Möglichkeit zu handeln.
Die Bundesregierung muss hier ihrer Verantwortung nachkommen und dafür Sorge tragen, dass Grund- und Menschenrechte auch an Europas Grenzen gelten. Im Europäischen Parlament arbeiten wir intensiv daran, Frontex zur Rechenschaft zu ziehen, es darf hier keine Straffreiheit geben. Wir haben es hier mit einem strukturellen Problem zu tun: Während Frontex immer weiter aufgerüstet und finanziell ausgestattet wird, minimieren sich die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten immer weiter.“
Nagel und Ernst erklären abschließend:
„Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten haben Frontex von Anfang an mit dem Ziel geschaffen, die Agentur als Instrument zur Umsetzung einer rigorosen Abschottungspolitik einzusetzen. Wir fordern die Abschaffung von Frontex. Wir fordern stattdessen legale Fluchtwege, eine EU-Mission zur zivilen Seenotrettung. Die Abschottung Europas ist inakzeptabel!“
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