Wie bereits berichtet, soll das zum Bertelsmann-Konzern gehörende majorel Call-Center in der Chemnitzer City zum Jahresende schließen. Beschäftigte, Ihr Betriebsrat, Gewerkschaft ver.di und viele Akteure der sächsischen und Chemnitzer Politik versuchen dies noch abzuwenden oder zumindest eine Anschlusslösung zu kreieren.
Vergangenen Freitag gab es diesbezüglich ein Treffen von Ministerpräsident Kretschmer, der Unternehmensspitze von majorel Deutschland und Betriebsrat. Majorel hatte hier zumindest zugesagt an einer Anschlusslösung mitzuwirken. In weiteren Gesprächen sollen entsprechende Möglichkeiten ausgelotet werden.
Ausgerechnet am gestrigen internationalen Frauentag wurden die Gespräche zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zur Schließungsabsicht fortgesetzt. Während es vielerorts üblich ist, dass Chefs ihren weiblichen Mitarbeiterinnen eine Blume schenken und zum Frauentag gratulieren, kommt die Bertelsmann-Chef-Etage nach Chemnitz, um hier die Frauen – und nicht nur sie – vor die Tür zu setzen.
Unter den 406 betroffenen Mitarbeiter sind 240 Frauen im Call-Center an der Zentralhaltestelle beschäftigt – weit über die Hälfte von ihnen bei Mindestlohn und in Teilzeit. Wieder einmal zeigt sich, dass insbesondere viele Frauen prekär beschäftigt sind.
Die Verantwortlichen des Arbeitgebers von majorel bzw. Bertelsmann haben sich bisher immer noch nicht getraut, vor die Belegschaft zu treten und zu erklären, warum der Standort geschlossen werden soll. Die beste Gelegenheit dazu – zur Kundgebung der Belegschaft am 22.02. – ließen sie ungenutzt verstreichen. Seit November wird nur über Umwege oder die Medien kommuniziert. Darum haben die Beschäftigten die Arbeitgeber am Frauentag auf besondere Weise zum Verhandlungslokal geleitet.
Majorel gehört zum Bertelsmann-Konzern. Vorsitzende der Gesellschafterversammlung und Mitglied der Aufsichtsräte von Bertelsmann ist Liz Mohn. Sie gehört mit einem geschätzten Vermögen von 3,1 Mrd € zu den 50 reichsten Personen in Deutschland (Stand 2020; Quelle Wikipedia). Für ihr vielfältiges soziales Engagement wurde sie unter anderem mit dem großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Weiterhin ist sie stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung. Vor ca. einem Jahr, am 10.02.2020 veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung einen Bericht zur Lage der Frauen in Europa. U.a. kam man zu der Erkenntnis, dass das Delta der Stundenlöhne zwischen den Geschlechtern bei 16% liegt.
Anders ausgedrückt: ab 04. November müssten Frauen somit praktisch umsonst arbeiten (Quelle: www.bertelsmann-stiftung.de). Die Mindestlohn-Teilzeitfrauen im majorel-Call-Center Chemnitz sollen zum 31.12.2021 nun gar nicht mehr arbeiten. Ob in einem der Unternehmen von Liz Mohn mit dem großen Bundesverdienstkreuz wegen ihres sozialen Engagements noch eine andere Lösung gefunden wird?
Hinter den Kulissen wird weiter um den Erhalt des Standortes bzw. um Anschlussbeschäftigung gerungen.
Die Beschäftigten bereiten sich auf weitere Aktionen und Aktivitäten vor.
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