Der sächsischen Schulpolitik fehlt es nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft der sozialdemokratischen Juristinnen und Juristen (ASJ) in Ostsachsen derzeit an vielem: an hinlänglichen Konzepten, an klarer politischer Führung und an einem verantwortungsvollen Gestaltungswillen. Helfen könne da ein ordentlicher landesgesetzlicher Orientierungsrahmen, der zugleich den Anstoß gibt zur Bewältigung der Pandemiefolgen im schulischen Bereich.
An dieser Stelle setzt die ASJ Ostsachsen mit ihrem Vorschlag einer Änderung des Sächsischen Schulgesetzes an. So will sie die politisch Verantwortlichen zu einem sofortigen Umdenken bewegen.
„Seit einem Jahr befinden sich die sächsischen Schulen im Krisenmodus“, meint Andreas Ueberbach, Vorsitzender der ASJ Ostsachsen. „Doch die betroffenen Schülerinnen und Schüler, ihre Eltern und auch die Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich nicht genügend ernstgenommen. Denn für das Sächsische Kultusministerium scheint es nur die Wahl zwischen Präsenzunterricht und Ausnahmezustand zu geben.
Wir wollen das so nicht hinnehmen und fordern nach eingehender Diskussion mit Betroffenen eine vernünftige Rechtsgrundlage für den Fernunterricht jenseits des infektiologischen Notstandsrechts.
In Sachsen existiert für den gegenwärtig praktizierten Fernunterricht keine rechtssichere, parlamentarisch legitimierte Regelung. Das in der Sächsischen Verfassung verankerte Recht auf Bildung wird derzeit viel zu oft unzureichend verwirklicht, nämlich nur abhängig von den zufälligen Umständen des Einzelfalls. Uns erscheint es da nicht richtig, so weit wie möglich am Präsenzunterricht festzuhalten.
Anstatt dass sich der fachlich versierte Verwaltungsapparat mit dem Fernunterricht und dem Einsatz digitaler Technik gründlich auseinandersetzt, heißt es im Ministerium offenbar nur: ‚Augen zu und durch!’. Dabei wissen wir nicht, wie lange und wie oft wir noch auf derartige Alternativen zum Präsenzunterricht angewiesen sind. Es fehlen verbindliche Grundlagen und gute Kontrollmechanismen.“
Nach Ansicht der sozialdemokratischen Juristinnen und Juristen verlassen sich die Verantwortlichen bisher zu sehr darauf, dass sich die Betroffenen selbst behelfen. „Mit viel Engagement und starkem Willen versuchen die betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern und Lehrkräfte, die Krise bestmöglich zu meistern“, so Ueberbach.
„Das kann aber nicht verhindern, dass viele von ihnen durchs Raster fallen. Und das trifft vor allem die Schwächsten. Ein solcher Umgang mit unseren Kindern und Jugendlichen ist eines demokratischen Rechtsstaates und einer fortschrittlichen Bildungsgesellschaft nicht würdig.“
Ueberbach formuliert in dieser Hinsicht einen konkreten Vorschlag: „In unseren Diskussionen haben wir Gewerkschafts-, Eltern- und Schülervertreter eingebunden und einen Gesetzentwurf zur Änderung des Sächsischen Schulgesetzes erarbeitet, der es ermöglicht, die beschriebenen Probleme anzugehen.“
Ziel des Gesetzentwurfes sei es, den Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen möglichst gleichmäßig und qualitativ hochwertig unter den besonderen Bedingungen der fehlenden schulischen Präsenzzeit zu verwirklichen. Zur Wahrung der Chancengleichheit sollen Mindeststandards der Unterrichtsqualität gewährleistet werden.
Werde die schulische Präsenzpflicht auf Grundlage des Landesschulgesetzes vorübergehend außer Kraft gesetzt, habe das nach der angestrebten Neufassung des Sächsischen Schulgesetzes verschiedene Folgen: Kraft Gesetzes entsteht dann etwa eine Pflicht zur Durchführung des Fernunterrichts und nach dem Ende einer solchen Notsituation haben die Schulen Lernstandserhebungen durchzuführen, um entstandene Defizite zu erfassen und sich zügig um deren Beseitigung zu kümmern.
Die ASJ Ostsachsen betont, dass die pädagogische Freiheit der Schulen und Lehrkräfte unangetastet bleibt. Je nach technischer Ausstattung und pädagogischer Einschätzung soll digital unterrichtet werden.
Damit dies im Bedarfsfall möglichst bald und flächendeckend geschehen kann, enthält ihr Gesetzentwurf eine programmatische, aber gleichwohl verpflichtende Forderung an die Staatsregierung, die notwendigen Voraussetzungen für den digitalen Fernunterricht unter Berücksichtigung sozialer Aspekte sachsenweit zu schaffen. Zur Vorbereitung darauf erhalten die Lehrkräfte ein gesetzlich verankertes Recht, sind aber unter Umständen auch verpflichtet, sich im Bereich der digitalen Lehre fortzubilden.
„Wir sind überzeugt, dass unser Vorschlag die Diskussionen um verbindliche Konzepte des Fernunterrichts und die Digitalisierung der Schulen in gehörigem Maß voranbringen wird“, meint Andreas Ueberbach.
„Es hilft nichts, die durch die Pandemie offen zutage getretenen Probleme solange zu ignorieren, bis wir ihre Kurz- und Langzeitfolgen zu spüren bekommen. Wir sehen uns moralisch verpflichtet, größeren Schaden von der Generation abzuwenden, die von dieser Krise am nachhaltigsten betroffen ist. Nutzen wir also die Chance und machen wir aus der Not eine Tugend!“
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