Wie und warum halten Menschen in Zeiten der Pandemie zusammen? Spielen Nachbarschaft und die Heimatregion eine Rolle für das Zugehörigkeitsgefühl? Welche Unterschiede gibt es zwischen Stadt und Land?
Diese Fragen stehen im Zentrum einer bundesweiten Umfrage des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), die von den Universitäten Halle, Bielefeld, Göttingen und Hannover entwickelt wurde. 50.000 Menschen in zwölf Kommunen erhalten ab Freitag, 26. Februar 2021, die Fragebögen, mit denen die Forschenden die regionalen Ursachen des Gelingens von sozialem Zusammenhalt analysieren wollen.
Die Corona-Pandemie und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung des Virus haben die Zivilgesellschaft in Deutschland vor große Herausforderungen gestellt. „Der soziale Zusammenhalt innerhalb einer Gesellschaft hat langfristig großen Einfluss darauf, ob und wie diese dazu in der Lage ist, gemeinsam kleine und große Herausforderungen zu bewältigen“, sagt der Soziologe Prof. Dr. Reinhold Sackmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Sprecher des FGZ-Teilinstituts in Halle, das die Befragung koordiniert.
In Skandinavien sei es etwa in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, eine gute Balance zwischen Einzel- und Kollektivinteressen zu finden. Andererseits lasse sich gesellschaftlicher Zusammenhalt auch verspielen, zum Beispiel wenn die Menschen häufig das Gefühl haben, ihrer Regierung nicht trauen zu können, oder gegen andere Gruppen hetzen. Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass sozialer Zusammenhalt auf der regionalen Ebene, also etwa innerhalb einer Familie, der Nachbarschaft oder einer anderen regionalen Gemeinschaft, mitgeprägt wird. Die Gesamtgesellschaft lasse sich dagegen im Alltag nur schwer direkt beeinflussen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den vier Teilinstituten des FGZ wollen mit der groß angelegten Befragung untersuchen, wie es um den sozialen Zusammenhalt in Deutschland insgesamt bestellt ist. Hierzu werden in den kommenden Tagen Fragebögen an rund 50.000 zufällig ausgewählte Menschen in zwölf Kommunen in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt verschickt. Neben Großstädten wie Hannover, Bielefeld, Ingolstadt und Magdeburg wurden auch kleinere Orte und Dörfer ausgewählt, wie Einbeck in Niedersachsen oder Jübar im nördlichen Sachsen-Anhalt.
„Wir wollen überprüfen, wie wichtig die Unterschiede der verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen und der spezifischen Situation vor Ort, also in lokalen Nachbarschaften, für das Entstehen von sozialem Zusammenhalt sind. Dieser kann sich entweder konstruktiv als Kooperation oder destruktiv, also auf Ausgrenzung und Konflikt ausgerichtet, manifestieren“, sagt der Geograph Prof. Dr. Peter Dirksmeier, Sprecher des beteiligten FGZ-Teilinstituts Hannover.
Neben allgemeinen Angaben zur Verbindung mit der Region thematisiert der Fragebogen auch die aktuelle Situation in der Pandemie sowie den Umgang der Gesellschaft mit Migrantinnen und Migranten. Darüber hinaus sind auch weitere Fragen enthalten, die jeweils an die Regionen angepasst sind.
Das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) ist ein seit 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Institut, das in zehn verschiedenen Bundesländern angesiedelt ist und die regionale Vielfalt gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland in den Blick nimmt. Zusammen werden die mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen mit empirischen Untersuchungen und großangelegten Vergleichen praxisrelevante Vorschläge erarbeiten, die dazu beitragen, gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen.
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