Das dritte Jahr in Folge mit zu wenig Niederschlag, zu hohen Temperaturen und über-durchschnittlich vielen Sonnenstunden hat die Trockenheit in Sachsen 2020 weiter vorangetrieben. Der Vergleich mit den aktuellen Klimaprojektionen für Sachsen zeigt, dass im Hinblick auf Lufttemperatur und Sonnenstunden in den vergangenen zehn Jahren bereits der Zustand eingetreten ist, der bei ehrgeizigem Klimaschutz erst zum Ende des 21. Jahrhunderts erwartet wurde.
Das sind Ergebnisse, die das Landesumweltamt Sachsen (LfULG) und der Deutsche Wetterdienst (DWD) heute beim 9. Pressegespräch „Wetter trifft auf Klima“ in Dresden vorgestellt haben. Untersucht wurde, wie sich die Witterung 2020 klimatologisch einordnen lässt und welche Auswirkungen sie auf Umwelt, Land- und Forstwirtschaft hat. Als Bezugsgröße für die Bewertung dient die Klimareferenzperiode 1961 – 1990.
Als besonders markant bewerten die Experten, dass sich der Witterungsverlauf aus den Jahren 2018 und 2019 im Jahr 2020 gleichartig fortgesetzt hat. In Bezug auf Niederschlag, Temperatur und Sonnenstunden ergeben sich daraus neue Extreme: drei Jahre in Folge Niederschlagsdefizit und drei Jahre in Folge ein Überschuss an Wärme und Sonnenstunden. In Sachsen handelt es sich um die drei wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881.
Das Jahr 2020 war in Sachsen mit 2,2 Grad „extrem zu warm“, mit 23 Prozent mehr Sonnenstunden „viel zu sonnenreich“ und mit 9 Prozent weniger Niederschlag »zu trocken«. Bis auf das Frühjahr waren alle Jahreszeiten „extrem zu warm“. Der Winter 2019/20 sticht mit einem Plus von 4,3 Grad besonders hervor. Deshalb setzte der
Vegetationsbeginn mehr als zwei Wochen früher ein.
Im März und im Mai trafen Spät-fröste auf die bereits fortgeschrittene Vegetation, was zeigt, dass die Gefahr für Spätfröste trotz des Klimawandels bleibt. Das Frühjahr 2020 war mit 47 Prozent mehr Sonnenstunden „extrem zu sonnenreich“ und mit 39 Prozent weniger Niederschlag „extrem zu trocken“.
In den drei Trockenjahren hat sich ein Niederschlagsdefizit von circa 400 Litern pro Quadratmeter aufsummiert. Aufgrund der gestiegenen Lufttemperatur und Sonnen-stunden entstand ein um 17 Prozent höherer Wasserbedarf. Wenn man diese Bedingungen zusammen betrachtet, ergibt sich in der atmosphärischen Bilanz ein Gesamtdefizit von 800 Litern Wasser pro Quadratmeter.
Das entspricht einem durchschnittlichen Jahresniederschlag in Sachsen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Atmosphäre hat mehr Durst. Das Andauern dieses Zustandes ist mit erheblichen Risiken für das System Boden-Pflanze-Atmosphäre verbunden.
Die Auswirkungen der Trockenheit, die erst 2018 deutlich sichtbar geworden sind, hatten sich bereits seit Herbst 2013 aufgebaut. Ab diesem Zeitpunkt traten vermehrt atmosphärische Bedingungen auf, die eine Ausbildung von Trockenheit begünstigen beziehungsweise vorantreiben. Das in den Vorjahren aufgebaute Niederschlagsdefizit im Wasserhaushalt hat sich 2020 weiter verstärkt. Es herrscht Wassermangel.
Das Defizit ist inzwischen so massiv, dass es wochenlang anhaltend regnen müsste, um es auszugleichen. Die Auffüllung des Wasservorrats im Boden erfordert entweder eine langsame Schneeschmelze oder einen Landregen, weil nur dann das Wasser in den Boden einsickern kann. Starkregen führt fast ausschließlich zu Oberflächenabfluss und Bodenerosion, gelangt aber kaum bis ins Grundwasser.
Dadurch hat sich die Grundwasserdürre 2020 weiter verschärft und einen neuen Tiefststand erreicht. Aktuell wird der monatstypische Grundwasserstand an knapp 90 Prozent der Grundwassermessstellen in Sachsen um durchschnittlich 60 Zentimeter unterschritten. Für 2021 ist keine kurzfristige Entspannung zu erwarten.
In den Kalenderjahren 2018 bis 2020 war flächendeckend weniger Wasser in den sächsischen Flüssen als im langjährigen Durchschnitt und es herrschte vielerorts anhaltendes Niedrigwasser. Das intensivste Niedrigwasser wurde 2018 verzeichnet.
Trotzdem war das Jahr 2020 der Negativ-Spitzenreiter hinsichtlich der Gesamtabflussmengen. Das hängt damit zusammen, dass die Flüsse bei Trockenwetter hauptsächlich aus dem Grundwasser gespeist werden, wo jedoch nicht viel zu holen war.
Die Dürrejahre 2018/2019 haben in den für Pflanzen verfügbaren Wasservorräten der Böden Sachsens ein großes Defizit verursacht. Besonders ausgeprägt ist das Defizit auf Lößböden. Es ist das höchste Defizit seit Beginn der Beobachtungen 1980 und hat ein Niveau erreicht, das auch ein überdurchschnittlich feuchter Winter nicht auffüllen würde.
In den Jahren 2018, 2019 und 2020 erreichte die Bodenfeuchte im Zeitraum August bis Oktober aufgrund der lang anhaltenden Trockenheit ein absolutes Minimum und sank vielerorts fast bis auf den permanenten Welkepunkt.
Der Wassermangel im Boden machte 2020 auch den sächsischen Wäldern weiter zu schaffen. Im Osterzgebirge sowie im Tief- und Hügelland war der Speicher während der Vegetationsperiode bereits soweit ausgeschöpft, dass für die Bäume mit dem Übergang von Trockenheit zu Dürre zunehmender Stress in der Wasserversorgung entstand.
Das Zusammenwirken von warm-trockener Witterung und einem rasch abnehmenden Bodenwasservorrat führte zur Ausweitung der Schäden an der Waldkiefer und zu Trockenstress in den Eichenwäldern. Die Folge ist eine höhere Anfälligkeit für holz- und rindenbrütende Käferarten. Im Westerzgebirge und im Vogtland profitierten die Fichtenwälder von häufigeren Niederschlägen.
Insgesamt fielen die Erträge in den Ackerkulturen etwas besser aus als in den Jahren 2018 und 2019. Durch die regional und lokal stark variierende Niederschlagverteilung in den Monaten Juni und Juli fielen die Erträge in der Landwirtschaft jedoch sehr unterschiedlich aus. Zu Trockenschäden und damit verbundenen Ertragseinbußen kam es vor allem in Nordsachsen.
Extreme regionale Unterschiede gab es auch im Grünland und Feldfutterbau. Dort, wo der Oberboden durch Niederschläge ausreichend durc-feuchtet wurde, konnten gute Ernten erzielt werden. In Nord- und teilweise auch in Nordostsachsen reichten die Niederschläge häufig nicht für eine Erholung der durch die Trockenjahre 2018 und 2019 stark geschädigten Grasnarben aus.
Spätfröste im Mai wirkten sich in der Landwirtschaft insbesondere auf die Wintergerste aus. Sorten, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Blüte befanden, bildeten nur wenige bis gar keine Körner in den Ähren aus. Experten sprechen hier von „Laternenblütigkeit“. Die trockene und warme Witterung im Spätsommer, die das dritte Jahr in Folge auftrat, hat die Eiablage beim Getreidelaufkäfer stark begünstigt.
Die Jungkäfer des Getreidelaufkäfers traten in der Folge so massiv auf, dass die Käfer örtlich von angrenzen-den Feldern in Wohngrundstücke eingewandert sind und zu Lästlingen für die Bewohner wurden. Zudem kam es zu Schäden durch große Feldmauspopulationen.
Im Obst-, Gemüse- und Gartenbau haben die langanhaltende Trockenheit im Winter 2019/2020 und Frühjahr 2020 sowie mehrtägige Spätfrostereignisse im März und Mai zu erheblichen Ertrags- und Qualitätseinbußen, insbesondere bei Baumobst und Wein, geführt. An Apfel-, Birnen- und Kirschbäumen traten großflächig extreme Schäden an Knospen und Blüten auf.
Die Äpfel blieben untypisch klein und wiesen Frostzungen auf. Die Spätfröste im Mai sorgten auch im sächsischen Weinbaugebiet für erhebliche Ertragsausfälle. Altreben auf lößreichen Böden trotzten der Trockenheit und lieferten gute Erträge. Bei Gemüse sorgte die Trockenheit verbreitet für Ertragsausfälle, die zum Großteil nicht durch Bewässerung abgefangen werden konnten.
Die Witterung hat auch Einfluss auf die Luftqualität. Hohe Konzentrationen von Fein-staub PM10 und damit verbundene Überschreitungen des Tagesgrenzwertes von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft treten vor allem in der kalten Jahreszeit auf.
Die Fortsetzung der Reihe zu warmer Winter begünstigte die weitere Verringerung der Konzentrationen von Feinstaub PM10 und Stickstoffdioxid in der Außenluft. Die Fein-staub PM10-Konzentrationen lagen auf dem niedrigsten Niveau seit Beginn der Messungen im Jahr 1999.
Der aktuelle Jahresrückblick „Wetter trifft auf Klima 2020“ steht ab sofort online zur Verfügung: https://www.klima.sachsen.de/jahresruckblicke-wetter-trifft-klima-12409.html
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