Die Datenbank musiconn.peformance ist nun um mehr als 760 Einträge reicher, denn ab sofort ist auch der Leipziger Synagogalchor mit seinem umfangreichen Archiv dort vertreten. Das im Rahmen des Fachinformationsdienstes Musikwissenschaft freigeschaltete Portal der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) dient der komfortablen Recherche nach musikalischen Aufführungen – von den Anfängen des Konzertwesens bis hin zur Gegenwart.
Es vernetzt die Forschungsdaten verschiedenster Partner. Zu den Institutionen, die bisher ihre Archive für das Portal geöffnet haben, zählen u. a. die Staatsoper Dresden, die Frankfurter Museumsgesellschaft, die Albert-Lortzing-Gesellschaft, die Dresdner Philharmonie, der Dresdner Kreuzchor und der Leipziger Thomanerchor ‒ und seit November auch der Leipziger Synagogalchor.
Das Leipziger Ensemble hat die coronabedingte Zwangspause genutzt und für musiconn.performance alle verfügbaren Materialien des Chorarchivs ausgewertet. Dazu zählen Programme, Plakate, Ankündigungen, Anzeigen, Einladungen sowie Rezensionen von 1963 bis 2020. Die erfassten Daten – Orte, Anlässe, Mitwirkende, Veranstalter, Werktitel, Komponisten – veranschaulichen die große Bandbreite des jüdischen Repertoires und deren Aufführungen in zahlreichen Konzerten im In- und Ausland, bei Gedenk- und Festveranstaltungen, in Gottesdiensten und anderen Veranstaltungsformaten. Das Projekt bietet eine breite Forschungsgrundlage zur Darstellung der Pflege jüdischer Musik in der DDR sowie in Deutschland nach 1990.
Die Datenbank ist nicht nur für Wissenschaftler zugänglich. Jeder kann und darf sich informieren, stöbern und recherchieren: Wie oft wurde Louis Lewandowskis „Ma towu“ aufgeführt? Welche Kompositionen von Samuel Lampel wurden aufgeführt? Welche Solist/-innen und Orchester musizierten mit dem Chor? Wann und wo gastierte das Ensemble in Polen oder Israel? Welchen Anteil hat der Chor an der Erinnerungskultur in Ost und West?
Louis Lewandowski – Ma Towu (Leipziger Synagogalchor gemeinsam mit dem Kammerchor Josquin des Préz)
Alle Antworten sind ab sofort unter https://performance.slub-dresden.de auffindbar.
Doch längst ist nicht alles lückenlos erfasst, daher bittet der Chor Publikum, Veranstalter, Archive und ehemalige Sänger/-innen um Mithilfe: Wer über Material aus der Geschichte des Chores verfügt, darf sich gern unter vorstand@synagogalchor-leipzig.de melden und dazu beitragen, das digitale Archiv weiter zu bereichern.
Der Leipziger Synagogalchor
wurde 1962 von dem jüdischen Kantor Werner Sander (1902‒1972) gegründet, um die nach der Schoa nur noch in wenigen Quellen überlieferte Chormusik der liberalen Synagogentradition wieder aufführen zu können. Gleichzeitig begann Sander, jiddische und hebräische Lieder für gemischten Chor zu arrangieren. Der von Beginn an aus nichtjüdischen Sänger/-innen bestehende Laienchor, der bis zur Wende unter der Trägerschaft des Verbandes der jüdischen Gemeinden in der DDR stand, eroberte sich in den zwei deutschen politischen Systemen einen festen, doch mit seinem besonderen Repertoire und seiner Botschafterfunktion ganz und gar nicht alltäglichen Platz in der Chorlandschaft.
Nach Sanders Tod entwickelte sich das Ensemble unter der Leitung von Kammersänger Helmut Klotz in 40 Jahren zu einem national und international angesehenen Konzertchor. Zum 50. Chorgeburtstag 2012 übernahm Ludwig Böhme die Leitung und erweiterte das Repertoire, das in der synagogalen Musik von der Renaissance bis in die Moderne reicht und mittlerweile unzählige eigens für den Chor geschaffene Arrangements jiddischer Lieder umfasst, nochmals immens.
Die Bedeutung und Anerkennung des Ensembles spiegelt sich auch in den institutionellen Förderungen durch den Freistaat Sachsen und das Kulturamt der Stadt Leipzig. 2017 wurde das Ensemble mit dem Obermayer German Jewish History Award geehrt. 2020 kulminierte das langjährige Wirken des Chores in der Eintragung der „Revitalisierung synagogaler Chormusik des 19. und 20. Jahrhunderts Osteuropas“ als gutes Praxisbeispiel in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes.
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