Das Umweltinstitut München kritisiert die Entscheidung der Bundesregierung scharf, den Einsatz von verbotenen Insektengiften per „Notfallzulassung“ zu ermöglichen. 2018 stimmte eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten dem Vorschlag der Europäischen Kommission zu, den Einsatz von drei für Bienen und andere Bestäuber besonders gefährlichen Neonicotinoiden im Freiland zu verbieten. Auch die Bundesregierung sprach sich damals für den Vorschlag aus. Nun folgt Deutschland jedoch dem Beispiel anderer Mitgliedsländer und umgeht das Verbot durch so genannte „Notfallzulassungen“.

Dazu Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft beim Umweltinstitut: „Die drei Neonicotinoide wurden aus gutem Grund verboten: Sie stellen erwiesenermaßen eine große Gefahr für eine Vielzahl von Insekten dar und bedrohen die biologische Vielfalt. Dass diese Ackergifte trotz des dramatischen Insektensterbens jetzt durch Notfallgenehmigungen wieder zum Einsatz kommen können, ist absolut unverantwortlich.“

Die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erteilte Notfallzulassung gilt für ein Mittel mit dem Wirkstoff Thiamethoxam. Bereits im kommenden Frühjahr kann mit diesem Neonicotinoid behandeltes Zuckerrübensaatgut wieder auf den Äckern ausgesät werden. Die Zulassung gilt für eine Fläche von 40.000 Hektar in Nordrhein-Westfalen. Es ist zu erwarten, dass in Kürze weitere Notfallgenehmigungen folgen.

Seit dem Freilandverbot 2018 haben zahlreiche EU-Mitgliedstaaten derartige Genehmigungen ausgesprochen. In Deutschland war dies bisher nicht der Fall. Im Gegenteil: Landwirtschaftsministerin Klöckner hat in der Vergangenheit wiederholt betont, dass bienengefährliche Wirkstoffe vom Markt genommen werden müssten.

„Landwirtschaftsministerin Klöckner behauptet weiterhin, dass ‘vom Markt müsse, was der Biene schadet’. Doch dass die Ministerin die Notfallzulassungen im Zuckerrübenanbau nicht verhindert, zeigt, dass es sich dabei um bloße Rhetorik handelt“, so Vogt weiter. Das Umweltinstitut fordert die deutsche Bundesregierung auf, die Notfallgenehmigung für Thiamethoxam umgehend zurückzuziehen und keine weiteren Notfallzulassungen für Neonicotinoide zu erteilen.

Hintergrundinformationen

Die für die Neonicotiniode erteilten Ausnahmegenehmigungen gelten für den Einsatz als Beize für Zuckerrübensaatgut. Dabei wird das Saatgut mit dem Insektengift ummantelt und beim Keimen von der Pflanze aufgenommen. Da Neonicotinoide systemisch wirken, wird das Gift in der ganzen Pflanze verteilt – von der Wurzel bis in den Nektar und Pollen.

Die Befürworter der Notfallgenehmigungen, zum Beispiel der Verein der Zuckerindustrie, betonen immer wieder, dass Zuckerrüben für Bienen und andere Bestäuber unattraktiv sind, da sie vor der Blüte geerntet werden und die Insekten die Pflanzen deshalb nicht anfliegen. Doch im so genannten Guttationswasser, das die Pflanzen über die Blätter ausscheiden, sind die Gifte auch mehr als 200 Tage nach der Aussaat noch in hohen Konzentrationen nachweisbar. Die Insekten nehmen diese Tröpfchen auf und können durch die darin enthaltenen Gifte geschädigt werden.

Ein weiteres gravierendes Problem ist, dass die zur Beize genutzten Neonicotinoide im Boden verbleiben und auch von blühenden Unkräutern im Zuckerrübenbestand und von Nachfolgekulturen aufgenommen werden können. Eine Studie hat ergeben, dass nur etwa 1,6 Prozent der Gifte von den Pflanzen aufgenommen werden. Die restlichen 98 Prozent reichern sich im Boden an.

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