Die EU-Kommission hat Ende September eine Reform des Asyl- und Migrationspakets vorgelegt, welche sich nun in der Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union befindet. Der Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland hat dazu heute eine Stellungnahme an die EU-Kommission beschlossen.
Die Stellungnahme bleibt jedoch deutlich hinter den Empfehlungen der Ausschüsse, in denen zahlreiche Kritikpunkte benannt waren, zurück. Dazu erklärt Petra Čagalj Sejdi, Sprecherin für Asyl, Migration und Integration der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag:
„Die von der Kommission vorgeschlagenen Verfahren einschließlich des Screenings vor der Einreise und der Grenzverfahren schneiden erheblich in die Rechte der Asylsuchenden ein. Wir Bündnisgrüne befürchten deshalb haftähnliche Zustände in den geschlossenen Unterkünften sowie unzureichenden Zugang der Betroffenen zu einer unabhängigen Asylverfahrensberatung und fehlende effektive Mechanismen zur Feststellung besonders schutzbedürftiger Menschen.“
„Eine unabhängige Asylverfahrensberatung sowie ein medizinisches und psychologisches Clearingverfahren bei der Aufnahme sind für uns Bündnisgrüne unabdingbar, damit Asylsuchende ihre Rechte umfassend wahrnehmen können. Deshalb arbeiten wir auch an der Umsetzung einer entsprechenden Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag.“
„Die Stärkung der Resettlement-Programme ist ein richtiger Schritt, um schutzbedürftige Menschen aufzunehmen und dauerhaft in die Gesellschaft zu integrieren. Auch sächsische Kommunen haben bereits ihre Aufnahmebereitschaft signalisiert. Ihnen muss nun die Möglichkeit gegeben werden, ihren Worten selbstbestimmt Taten folgen zu lassen.“
Lucie Hammecke, europapolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, besuchte erst in diesem Sommer Lesbos und machte sich vor Ort ein Bild der Lage. Sie erklärt:
„Viel zu lange wurde auf eine Reform der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik gewartet, obwohl das alte System schon lange seine Schwächen offenbart hat. Die Situation auf Lesbos, die Grenzgewalt auf dem Balkan und die sich zuspitzende Lage auf den Kanaren sind humanitäre Katastrophen, die mit den europäischen Grundwerten nicht zu vereinbaren sind.
Deshalb ist es zu begrüßen, dass die EU-Kommission nun endlich gemeinsam mit den Europäischen Mitgliedsstaaten eine Diskussion über die Gestaltung des dringend reformbedürftigen Asyl- und Migrationspakets gestartet hat. Der vorliegende Entwurf jedoch scheint sich bereits im Vorhinein jenen Mitgliedsstaaten zu beugen, die sich einer fairen und solidarischen Verteilung der Asylsuchenden zu entziehen versuchen.“
„Die bisher bekannten Vorschläge der Kommission sind daher nur als erster Schritt zur Diskussion für einen Neuanfang zu sehen, denn sie lassen eine Reihe grundsätzlicher und altbekannter Probleme ungelöst. Eines davon ist das Dublin-Verfahren, das durch ein von allen Mitgliedsstaaten getragenes System der Humanität, Verantwortung und Solidarität ersetzt werden muss. Abschottung und Abschreckung dürfen nicht die Mittel der Wahl sein, um die drängenden Probleme zu lösen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass der Bundesrat heute nicht die Gelegenheit wahrgenommen hat, deutliche Kritik zu üben.“
„Ein guter Anfang wäre es, auf eine gerechte Aufgabenverteilung unter Berücksichtigung der jeweiligen Potentiale zu setzen und auch die Integrationskraft sowie Integrationsbereitschaft verschiedener Regionen stärker zu gewichten. Auch viele deutsche Kommunen haben ihre zusätzliche Aufnahmebereitschaft von Geflüchteten signalisiert. Es braucht nun konkrete Vorschläge, um diese Aufnahmebereitschaft umsetzen zu können.“
„Die Rechte von schutzsuchenden und geflüchteten Menschen müssen in allen Verfahrensstadien im Einklang mit den europäischen Grundwerten sichergestellt werden. Dabei steht das Recht auf Leben an erster Stelle. Dem Sterben an den europäischen Außengrenzen darf nicht länger zugesehen und die Seenotrettung muss unter Einbezug nicht-staatlicher Organisationen respektvoll ausgestaltet werden.“
Weitere Informationen:
Reisebericht Lesbos von Lucie Hammecke und Kathleen Kuhfuß
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