Zur Demonstration gegen die Infektionsschutz-Maßnahmen in Leipzig erklärt Kerstin Köditz, Sprecherin der Linksfraktion für antifaschistische Politik und zuständig für Innenpolitik: „Zweierlei hat sich gestern in Leipzig gezeigt. Erstens: Die Infektionsschutz-Gegner haben sich genau so aufgeführt, wie es von einem Bündnis aus Einfältigen und Egoisten zu erwarten ist. Diesen verantwortungslosen Demagogen haben sich zahlreiche Neonazis, Hooligans und weitere Gewalttäter angeschlossen.“
„Zweitens: Obwohl das absehbar war, hatte die Polizei die Situation nicht einmal ansatzweise im Griff. Offenbar gab es keine realistische Gefahrenanalyse, kein praktikables Einsatzkonzept und nicht einmal einen kleinen Lerneffekt aus dem, was zuvor in anderen Städten und kürzlich erst in Dresden zu beobachten war. Die politische Verantwortung für dieses Desaster trägt der umstrittene Innenminister Roland Wöller. Es handelt sich um Staatsversagen.
Die Stadt Leipzig hatte im Vorfeld der Massenversammlung umsichtige Vorkehrungen getroffen, um die Lage frühzeitig zu entschärfen und dem Infektionsschutz gerecht zu werden. Völlig unverständlich ist hingegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen.
Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber die körperliche Unversehrtheit unbeteiligter Bürgerinnen und Bürger sowie eingesetzter Beamtinnen und Beamten ist es ebenso, genau wie die Pressefreiheit. Sie war in Leipzig nicht gewährleistet, Journalistinnen und Journalisten wurden wiederholt angegriffen. ,Wir wollen rechtsextreme Netzwerke konsequent zerschlagen‘, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch gestern hat der Staat vor ihnen gekuscht.
Zuvor waren stundenlang und zunächst folgenlos Auflagen gebrochen worden. Die Entscheidung, die Versammlung vorzeitig aufzulösen, kam zu spät. Für alles, was danach geschehen ist, hätte vorgesorgt sein können – und müssen, da die einschlägigen Aufrufe in ihrer Umsturz-Rhetorik kaum zu übertreffen waren.
Eine tatsächliche Auflösung erfolgte nicht, stattdessen musste sich die Polizei überrennen lassen. Ein brauner Mob erzwang den ausdrücklich verbotenen Demonstrationszug, den die angeblich ,friedlichen‘ und ,demokratischen‘ Querdenker ursprünglich eingefordert hatten. Solche ,Erfolgserlebnisse‘ laden erfahrungsgemäß zur Wiederholung ein.
Das alles ist eine horrende Zumutung, die ein demokratischer Rechtsstaat keineswegs ertragen muss – und ein fatales Zeichen für alle, die vernünftig bleiben und solidarisch zur Eindämmung der Pandemie beitragen wollen. Ich erwarte jetzt konsequente und rasche Strafverfolgung gegen die Beteiligten und Organisatoren. Zudem muss der Innenminister unverzüglich erklären, was in Leipzig und vor einer Woche schon in Dresden schief lief und warum. Dafür werden wir eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragen.“
Die in Leipzig direkt gewählte Linken-Abgeordnete Juliane Nagel fügt hinzu:
„Das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes hat die Stadt Leipzig kalt erwischt. Wiewohl der Urteilsspruch Kritik verdient, ist auch das Agieren der Stadt zu hinterfragen: Warum erfolgte die Beauflagung so spät, obwohl die Versammlungsanmeldung schon lange vorlag und die Prämissen zur Durchführung mit der Corona-Schutzverordnung seit 30.10.2020 bekannt waren? Schon die Mobilisierung durch zahlreiche Neonazi-Gruppierungen und Gewaltandrohungen in den sozialen Netzwerken hätten Handlungsgrundlage für eine frühzeitige, strenge Beauflagung sein müssen.
So geschah, was absehbar war: Die Querdenker-Versammlungsteilnehmer/-innen verstießen massiv gegen die Hygieneauflagen. Wir kritisieren die zu späte und zögerliche Auflösung der Versammlung scharf. Sowohl Ordnungsbehörde als auch Polizei haben versagt. Nach der stationären Kundgebung kam es zu Gewaltausbrüchen von rechten Hooligans und Neonazis, Journalisten/-innen und Polizeibeamt/-innen wurden angegriffen und verletzt. Der Ring und der Hauptbahnhof wurden zu Gefahrenzonen. Diese Situation hätte mit einer früheren Auflösung vielleicht zum Teil vermieden werden können. Wir setzen uns für eine umfassende Aufklärung ein.
Es gibt viele legitime Gründe, um zu demonstrieren – beispielsweise für eine Corona-Vermögensabgabe, die für eine gerechte Verteilung der Krisenlasten sorgt. Wer aber die Pandemie durch eigenes Fehlverhalten anheizt und andere dazu aufstachelt, macht sich mitschuldig an einem möglichen Notstand der Gesundheitsversorgung. Die Phalanx aus Neonazis, rechten Verschwörungsideologen und rechten Esoterikern, die für den gestrigen Aufmarsch verantwortlich ist, gefährdet Gesundheit und Demokratie gleichermaßen.“
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