Ein neues Forschungsprojekt soll ein länderübergreifendes System für die Überwachung der Artenvielfalt und Ökosysteme in Europa entwickeln. Koordiniert wird es von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig. Die Ergebnisse des Projekts sollen die Grundlage für politische Entscheidungen der Europäischen Kommission und anderer Entscheidungsträger bilden. Die EU fördert das Projekt mit drei Millionen Euro. Vom 1. bis 3. Dezember findet ein virtuelles Kickoff-Meeting der Projektpartner statt.
Die Europäische Kommission hat im Mai dieses Jahres die EU-Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2030 vorgestellt. Damit verfolgt sie das Ziel, die bedrohten oder bereits zerstörten Ökosysteme in Europa bis zum Jahr 2030 wiederherzustellen und den Verlust von Artenvielfalt zu stoppen.
„Wir haben jedoch gar kein konsistentes Bild davon, wie sich die Biodiversität über verschiedene Arten und taxonomischen Gruppen – etwa für Säugetiere oder Amphibien – in einzelnen europäischen Regionen verändert“, sagt Prof. Dr. Henrique Pereira, der an der MLU und am iDiv forscht. Zwar gebe es zahlreiche Studien und Daten über die Artenvielfalt in Europa. Allerdings seien die erhobenen Daten häufig räumlich, zeitlich und auf einzelne Arten oder Gruppen begrenzt. Daher mangele es häufig an der Vergleichbarkeit der Daten untereinander.
„Damit politische Maßnahmen fundiert getroffen werden können, braucht es aber eine systematische, aktuelle Datengrundlage über die Artenvielfalt und die Ökosysteme in Europa sowie deren Zustand. Diese muss sich auch an den Bedürfnissen der Politik orientieren“, sagt Pereira.
Hier setzt der europäische Forschungsverbund mit dem Namen „EuropaBON“ an, den Pereira gemeinsam mit Dr. Jessica Junker koordinieren wird. Darin soll zum einen ein neuer Standard für das Monitoring von Biodiversität und Ökosystemen konzipiert werden. Zum anderen geht es darum, die bisher veröffentlichten Daten zu diesen Themen zu harmonisieren.
Dazu gehören etwa Daten zur Artenvielfalt und anderen Faktoren, wie der Wasserqualität, von Satelliten, aus Bürgerforschungsprojekten, Langzeitversuchen und anderen wissenschaftlichen Quellen. Häufig wurden diese Daten entsprechend einer konkreten Forschungsfrage erhoben und lassen sich untereinander nur schwer vergleichen. Wie das trotzdem gelingen kann, soll ebenfalls im Projekt geklärt werden.
Gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern sowie politischen Entscheidungsträgern sollen auch Kenngrößen, Variablen und Indikatoren entwickelt werden, die ein schlüssiges Gesamtbild für Europa ergeben und so die Grundlage für politische Entscheidungen bilden. „Wir wollen den Informationsbedarf zwischen Politik und Wissenschaft synchronisieren“, sagt Pereira zusammenfassend.
Für das umfassende Vorhaben greift das Team aus Halle und Leipzig auf ein Netzwerk aus 14 Partnereinrichtungen aus Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spanien zurück. „Die Daten und die dahinterstehenden Methoden sind viel zu komplex, als dass eine Einrichtung sie alleine bewältigen könnte. Deshalb sind wir froh, dieses wissenschaftlich hochkarätige Netzwerk etabliert zu haben“, sagt Pereira.
Am Ende des Projekts sollen verschiedene Alternativen für ein europäisches Netzwerk zur Überwachung der Artenvielfalt und der Ökosysteme stehen. Anhand von konkreten Fallbeispielen will das Team die Machbarkeit der Konzepte überprüfen, von der Datenakquise und -pflege bis hin zur Berichterstattung für die Europäische Kommission. Mit dem System soll es künftig auch möglich sein, rückblickend den Effekt einzelner Naturschutzmaßnahmen zu überprüfen.
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