Am vergangenen Mittwoch beschloss der Stadtrat nach heftiger Debatte das Verfahren für die zukünftige Wahl des Migrantenbeirats. Sechs Jahre dauerte der Prozess zum Wahlverfahren an. Auch wenn nun ein Kompromiss gefunden ist, bleibt ein bitterer Beigeschmack.
Dazu erklärt Juliane Nagel, die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, die diesen Prozess begleitet hat: „Ich bin erleichtert, dass der Migrantenbeirat bald von einem Teil der Migrant/-innen in Leipzig gewählt werden kann. Der Weg dahin war steinig: Schon 2014 beauftragte der Stadtrat die Verwaltung, ein Verfahren für die Wahl der Mitglieder des Migrantenbeirates zu entwickeln.
Dies war ein Meilenstein für aktive Leipziger/-innen mit Migrationsgeschichte; ging und geht es doch zum einen darum, eine Repräsentationslücke für die vom Wahlrecht Ausgeschlossenen zumindest ein wenig zu schließen. Und andererseits darum, den Menschen, die die Stadt in migrationspolitischen Angelegenheiten beraten, mit einer Legitimation derer auszustatten, die selbst migriert sind.“
Eine von der Verwaltung selbst erarbeitete progressive Wahlordnung verschwand 2015 in der Schublade. Die im Migrantenbeirat im Anschluss erarbeiteten Vorschläge, zum Beispiel für eine Herkunftsquote und die Ermöglichung der Online-Wahl in öffentlichen Anlaufstellen, flossen zwar in das neue Wahlverfahren ein, plötzlich rückte die Verwaltung allerdings von dem bis dahin existierenden Konsens ab, dass auch eingebürgerte Migrant/-innen mit deutschem Pass das aktive und passive Wahlrecht haben.
Die Verwaltung legte einen Vorschlag mit drei Säulen auf den Tisch: In einer 1. Säule sollen nur Ausländer/-innen und EU-Bürger/-innen das Wahlrecht haben, in einer 2. Säule können sich Leipziger/-innen mit Migrationsgeschichte sowohl mit als auch ohne deutschen Pass direkt bei der Stadtverwaltung bewerben, um dann nach formulierten Kriterien ausgewählt zu werden, die 3. Säule umfasst die Fraktionsvertreter/-innen.
Für den Migrantenbeirat und Teile des Stadtrates war und ist es wichtig, dass auch eingebürgerte Leipziger/-innen das passive und aktive Wahlrecht haben. Es herrschte große Enttäuschung und Frust, dass die Verwaltung den Beschluss aus 2014 nicht umgesetzt hatte.
Mit einem fraktionsübergreifenden Antrag, der am vergangenen Mittwoch knapp beschlossen wurde, ist nun ein gangbare Variante gefunden. Die 1. Säule wird für eingebürgerte Leipziger/-innen und Aussiedler/-innen geöffnet, diese haben neben Migrant/-innen ohne deutschen Pass das aktive und passive Wahlrecht.
Dieser Kompromiss kam nur zustande, weil sich der Vorsitzende des Migrantenbeirats, Kanwal Sethi, und der Sozialbürgermeister Thomas Fabian, der den Bereich zum 1. Oktober 2020 in seine Verantwortung übernommen hat, hinter den Kulissen stark gemacht haben. Der Kompromiss fußt auf einem Änderungsantrag, den die Linksfraktion Mitte September unterbreitet hat.
Nun sollte der Blick nach vorne gerichtet werden, auf die Durchführung der Wahl.
Darüber hinaus zeigt die Debatte um das Wahlverfahren, dass der Anspruch auf interkulturelle Öffnung sowohl in der Stadtverwaltung als auch im Stadtrat hoch auf die Agenda rücken müssen.
„Teilhabe und interkulturelle Öffnung dürfen nicht allein wohlklingende Formulierungen in Wahlprogrammen und Konzepten sein, sondern mit Leben erfüllt werden, damit die 15,4 % der Leipzigerinnen und Leipziger mit Migrationsgeschichte endlich eine angemessene Repräsentanz in Partei, im Stadtrat und in der Verwaltung finden.“
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