Anlässlich des bundesweiten Tag der Wohnungslosen veranstaltet die AG Recht auf Wohnen am 11. September 2019 auf dem Richard–Wagner-Platz in Kooperation mit Trägern der Wohnungsnotfallhilfe, Streetworker/-innen und weiteren fachlich angrenzenden Projekten sowie ehrenamtlichen Projekten zum zweiten Mal einen Aktions- und Vernetzungstag zu Obdach- und Wohnungslosigkeit in Leipzig. In diesem Jahr wird die Veranstaltung mit einem Grußwort durch Herrn Dr. Fabian eröffnet.
Die Arbeitsgemeinschaft „Recht auf Wohnen“ ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Mitarbeiter/-innen aus Einrichtungen und Diensten der sozialen Arbeit, der Stadtverwaltung und Vertreter/-innen der Stadtratsfraktionen von Die Linke und Bündnis 90 / Die Grünen. Verbindendes Grundinteresse der AG Recht auf Wohnen ist die Verhinderung und Beseitigung von Wohnungslosigkeit bzw. deren Ursachen und Folgen in Leipzig.
Die Auswirkungen der Corona–Pandemie haben gezeigt, wie schnell Menschen in Notsituationen auch hinsichtlich ihres Wohnraumes kommen können und wie wichtig dann ein Netzwerk von Unterstützern sein kann. Nicht nur deshalb ist es das Anliegen des Aktionstages, Menschen mit und ohne Wohnung in einer „Hilfestraße“ über das Unterstützungsangebot für Betroffene von drohender und eingetretener Wohnungs- oder Obdachlosigkeit in Leipzig zu informieren.
Dazu organisieren die Akteur/-innen ein breites gefächertes Informationsangebot. So werden unter anderem die Bahnhofsmission Leipzig, das Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen und der Tagestreff „Oase“ der Leipziger Diakonie ihre Angebote den Leipziger/-innen und Gästen vorstellen. Vorstellen werden sich der Leipziger Hilfebus des Suchtzentrums gGmbH und Streetwork–Projekte wie die Mobile Jugendarbeit des machtLos e.V. oder die Straßensozialarbeit des Zentrum für Drogenhilfe. Auch das Sozialamt Leipzig, Abteilung Soziale Wohnhilfen, wird über seine Angebote aufklären.
Aus dem Bereich der ambulant betreuten Wohnprojekte werden unter anderem der Caritasverband Leipzig e.V sowie des Arbeitskreis Resozialisierung e. V. vor Ort präsent sein und über ihre Angebote informieren Ebenso präsentieren sich ehrenamtliche Projekte wie TiMMi ToHelp e.V. und Medinetz.
Am zentralen Infopunkt der AG Recht auf Wohnen erfahren die Besucher*innen mehr über das Konzept der Veranstaltung und die geltenden Hygieneauflagen. Dort wird es auch einen aktivierendem Fragebogen geben, mit dem alle eingeladen werden, tiefer mit den diversen sozialen Trägern ins Gespräch zu kommen. Außerdem können an diesem Stand Schlafsäcke abgegeben werden, die am Aktionstag als Winternothilfe für betroffene Menschen gesammelt werden.
Ansprechspartner/-innen für die AG Recht auf Wohnen:
Cordula Rosch (Bündnis 90 / Die Grünen), Siegfried Schlegel (Die Linke), Becky Wehle (MachtLos e.V.) Benjamin Müller (Oase, Diakonie Leipzig)
Aus Anlass des Aktionstages erklären Cordula Rosch (Bildungsreferentin, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen): „Der Verlust der Wohnung ist der drastischste soziale Einschnitt, den man sich vorstellen kann. Mit dem Verlust des Mietvertrags geht der persönliche Schutzraum verloren. Dies wollen wir unbedingt versuchen zu verhindern und unterstützen die Akteure auf politischen Weg. Wir befürchten, dass als Corona–Folge in Leipzig Menschen vom Verlust des Mietvertrags betroffen sein werden.
Das Angebot des sozialen Wohnungsmarktes ist in Leipzig nicht annähernd ausreichend. Deswegen fordern wir seit Jahren, den Anteil des sozialen Wohnungsbaus deutlich auszubauen. Menschen brauchen eine Chance auf eine Wohnung, auch wenn sie damit schon einmal gescheitert sind. In Leipzig werden wir noch dieses Jahr gemeinsam mit der Stadtverwaltung / Sozialamt ein Leipziger Housing – First – Konzept erarbeiten.“
Benjamin Müller (Leiter der Leipziger Oase, Diakonisches Werk Innere Mission Leipzig e.V.): „Die große positive Dynamik unserer jungen Stadt Leipzig führt dazu, dass immer mehr alte Brachen für die Wohnraumnutzung umgewidmet werden. Diese Art von Verdichtung wird beispielsweise aktuell rund um den Leipziger Hauptbahnhof deutlich, wo das alte Hotel Astoria renoviert und die Freifläche nordwestlich des Hauptbahnhofs zu einem großen und hochwertigen Wohnquartier ausgebaut werden wird.
Trotz oder gerade wegen dieser Entwicklungen nimmt Wohnungslosigkeit in Leipzig sichtbar zu. Eine Ursache ist, dass der neu geschaffene Wohnraum nicht den Bedarf von wirtschaftlich und sozial schwach gestellten und benachteiligten Menschen trifft. Hinzu kommt, dass die weiteren sozialen Verwerfungen, die möglicherweise die Corona-Krise mit sich bringen wird, noch gar nicht berücksichtigt sind.
Eine lebendige Stadt wie Leipzig muss sich passende Hilfsstrukturen gegen Wohnungslosigkeit leisten und mit entsprechend guten und vorausschauenden Konzepten gemeinsam darauf reagieren können.“
Becky Wehle (Projektkoordinierung, Mobile Jugendarbeit des MachtLos e.V.): „Das Wachstum in Leipzig bringt nicht nur positive Effekte. Der Immobilienmarkt ist angespannt. Neu geschaffener Wohnraum liegt meist im hochpreisigen Segment. Aktuell ist es sehr schwierig, bezahlbare Wohnungen zu finden, die z.B. den gezahlten Kosten der Unterkunft im ALG 2 entsprechen oder mit kleinen Einkommen während Ausbildung bestritten werden können.
Seit Jahren sind wir mit dem Phänomen des Sofa – Hopping konfrontiert, bei dem junge Menschen bei Bekannten unterkommen und somit verdeckt wohnungslos sind. Deshalb muss die Stadt dafür sorgen, dass genügend Wohnungen vorgehalten werden, die den Vorschriften von Sozialleistungen entsprechend.
Diese Verdichtung und Aufwertung der Stadt geht oft einher mit Verdrängung. Durch Stadtentwicklungsmaßnahmen muss Leipzig jedoch gewährleisten, dass die Stadtteile sozial durchmischt bleiben. Außerdem liegt es in ihrer Verantwortung, überall ein ausreichendes Netzwerk an Unterstützung vorzuhalten. So fehlt es in Leipzig aus unserer Perspektive an einer speziellen Notschlafstelle für junge Erwachsene. In einer wachsenden Stadt müssen Hilfestrukturen nicht nur erhalten, sondern bedarfsgerecht ausgebaut werden.“
Siegfried Schlegel (für die Fraktion Die Linke): „Die Vermeidung und Beseitigung von Wohnungslosigkeit ist nur realistisch, wenn Wohnen in Deutschland als Menschenrecht anerkannt wird und der Profitmaximierung entzogen wird. Der Anteil der Sozialwohnungen im Wohnungsbau muss auch mit Bundes- und Landesförderung deutlich auf 30 % und bei der LWB auf 50 % steigen.
Bedarfsgerechter Sozialwohnungsbau muss hinsichtlich Wohnungsanzahl sowie Größe und Qualität unter Berücksichtigung der Generationeninteressen gefördert werden. Nach Jahzehnten ohne Förderung des Sozialwohnungsbaus gibt es nunmehr auch in Sachsen einen Neuanfang, wenngleich das Tempo auch angesichts des jahrelangen Stillstands bei weitem nicht ausreichend ist. Beispielgebend ist dabei die Stadt Wien. Dort findet Sozialwohnungsbau ununterbrochen seit 100 Jahren statt und der Anteil der gemeindeeigenen Wohnungen liegt bei 30 %.“
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 82: Große Anspannung und Bewegte Bürger
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