Eine Studie des größten privaten Klinikbetreibers in Deutschland, Helios, zeigt: Während der Coronakrise gab es 30 Prozent weniger Aufnahmen in den Notaufnahmen. Gleichzeitig kamen die Patienten kränker in die Kliniken, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Dr. Andreas Bollmann vom Herzzentrum Leipzig.
Eine aktuelle Analyse, angefertigt durch Mediziner des Herzzentrums Leipzig und des Leipziger Heart Institut, zeigt, dass weniger Notfallpatienten Krankenhäuser aufgesucht haben. Ein Team um Prof. Dr. Dr. Andreas Bollmann, Leitender Oberarzt der Abteilung für Rhythmologie im Herzzentrum Leipzig und Direktor der Leipzig Heart Digital am Leipzig Heart Institute, wertete mehr als 17.000 Notfallaufnahmen von Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche aus.
Erfasst wurden Fälle im Zeitraum von Anfang März bis Ende April 2020 und in zwei Vergleichszeiträumen in 66 Krankenhäusern der Helios Kliniken Gruppe.
Das Fazit: Im Unterschied zu vor Corona registrierten die Mediziner einen Rückgang von etwa 30 Prozent der Aufnahmen. „Die Fälle, die zur Vorstellung kamen, waren hingegen deutlich schwerwiegender. Das heißt, die Patienten kamen kränker ins Krankenhaus als üblicherweise“, so Prof. Bollmann.
Die Ursachen hierfür können vielfältig sein. Vermutet wird, dass viele Patienten Angst hatten, sich in einem der Krankenhäuser mit Covid-19 anzustecken. „Diese Sorge können wir jedem nehmen. In allen Kliniken der Helios Gruppe wurden frühzeitig ausreichend Maßnahmen ergriffen, um Patienten und medizinisches Fachpersonal vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen“, hebt Bollmann hervor, der bei Helios eine Arbeits- und Forschungsgruppe zur Verbesserung des Qualitätsmanagements und der Versorgungsanforderung leitet.
Zugleich rät er Kranken, sich bei gesundheitlichen Beschwerden immer einem Arzt vorzustellen. Möglich ist aber auch, dass den Rückgang unter anderem ein verändertes Einweiseverhalten der Hausärzte mit beeinflusst hat.
„Die durchgeführte Analyse“, so Bollmann weiter, „ist nur eine Momentaufnahme. Jedoch eine mit interessanten Ansätzen. Diese werden durch ähnliche Studien aus Europa und den USA gestützt, wo Mediziner zu ähnlichen Ergebnissen bei der Vermeidung des Krankenhausaufenthaltes kommen.“
Nicht auszuschließen ist, dass diejenigen, die während der Hochphase der Coronakrise trotz Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche nicht zum Arzt gingen, sich den Arztbesuch für einen späteren Zeitpunkt vornehmen. „Es ist möglich, dass diese Welle im Herbst auf uns zukommt”, verdeutlicht Bollmann. Da der weitere Verlauf der Coronakrise nicht absehbar ist, könnte sich die Situation in einigen Monaten verschärfen.
Gemäß der Helios Studie belief sich die Zahl der nichtvorgestellten Krankheitsfälle allein für die Krankheitsbilder Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche in dem analysierten Zeitraum von acht Wochen auf etwa 1.200 Patienten. Um für deren möglichen Krankenhausaufenthalt gewappnet zu sein, schafft Helios schon jetzt Freiraum. Forciert wird deshalb die Umsetzung alternativer Behandlungsmethoden wie Videosprechstunden oder ambulant durchgeführten Katheterablationen.
Prof. Bollmann arbeitet aktuell an der Fortsetzung der Analyse und Erweiterung mit anderen Krankheitsbildern, etwa aus der Kardiologie, Onkologie oder Psychiatrie. In Zusammenarbeit mit den Krankenkassen soll anhand der vorhandenen Datensätze im Weiteren ermittelt werden, ob es eine indikationsspezifische erhöhte Sterberate bei Herzkranken und anderen Patienten gibt. In diesen Fall soll ermittelt werden, ob Patienten durch den aufgeschobenen Arztbesuch im Extremfall verstorben sind.
Erst in der vergangenen Woche veröffentlichte Helios ein 10-Punkte-Sicherheitskonzept auf Basis einer selbst initiierten und repräsentativen Forsa-Umfrage. Nach dieser Umfrage würde jeder fünfte Patient (19 Prozent) aktuell entweder überhaupt nicht oder lediglich bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung eine Notaufnahme aufsuchen, bei Frauen ist es sogar jede vierte.
Aber nicht nur der Besuch einer Notaufnahme, auch ein möglicher Krankenhausaufenthalt ist bei potenziellen Patienten mit Vorbehalten und Sorgen behaftet: Fast ein Drittel der Befragten (30 Prozent) macht sich heute mehr Sorgen als früher. Die Angst vor einer Ansteckung durch Mitpatienten oder durch das Klinikpersonal stehen dabei im Mittelpunkt. Die Befürchtung, dass Angehörige womöglich nicht zu Besuch kommen dürfen, bereitet vor allem älteren Menschen Sorge.
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