Zu den Äußerungen von Innenminister Roland Wöller über die sogenannten Corona-Proteste im Freistaat erklärt Kerstin Köditz, zuständig für Innenpolitik bei der Fraktion Die Linke: „Was der Innenminister erklärt, lässt mich sprachlos zurück. Er stimmt zwar, dass wir eine beunruhigende Radikalisierung erleben. Aber die Entwicklung ist schon seit drei Wochen in vollem Gang. Vieles erinnert an die Frühphase der rassistischen Anti-Asyl-Proteste, Schauplätze und beteiligte Kreise sind teils die gleichen. Und auch heute fehlt dem Innenministerium ein Stück vom Film.“
„Anders als der Innenminister behauptet waren die Beteiligten der aktuellen Protestserie nie in ,Bürgerliche’ und ,Extremisten’ getrennt. Davon konnte man sich schon am 20. April in Chemnitz überzeugen. In Sachsen haben wir es nicht mit einer ,Vereinnahmung’ von irgendeinem ,Rand’ her zu tun, sondern die extreme Rechte hat diesen Protest überhaupt erst losgetreten. Viele dieser Versammlungen, die leider immer noch als ,Spaziergänge’ verniedlicht werden, sind auch nicht ,weitgehend friedlich’.
Ich erinnere an rechte Parolen und üble Beleidigungen, an wiederholte Übergriffe auf Polizeikräfte und Anfeindungen gegen die Medien, vor allem aber an die Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien. Wer sich daran beteiligt, ist an einem friedlichen Zusammenleben nicht interessiert. Leider verzeichneten wir in Sachsen bereits 2019 einen Höchststand an antisemitischen Straftaten. Hier müsste das Innenministerium Verfolgungsdruck aufbauen.
Stattdessen wird im Nebel gestochert: Anders als der Innenminister behauptet heißt der derzeit zentrale Player nicht ,Widerstand 2020′. Diese Pseudopartei ist noch nicht besonders weit gediehen. Wenn der Innenminister und sein Landesamt für Verfassungsschutz nach Organisatorinnen und Organisatoren suchen, sollten sie eher bei der AfD anfangen.
Völlig daneben ist es schließlich, die aktuelle Lage zu nutzen, um das Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz aufzuweichen, noch dazu mit Hilfe erfundener Behauptungen. Dass man ,erfolgreich den Zulauf zu Rechtsrockkonzerten gedrosselt’ habe, ist eine Legende. In Wirklichkeit kletterte die Zahl extrem rechter Musikveranstaltungen im Freistaat im vergangenen Jahr auf einen langjährigen Höchstwert, lediglich drei geplante Events wurden im Vorfeld verhindert.
Vom Landesamt für Verfassungsschutz erhoffe ich mir auch in der aktuellen Situation keinen hilfreichen Beitrag. Wer sich auf der Website der Behörde umsieht, sieht, dass dort seit einem Jahr nichts Neues vermeldet wurde.
Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dass sie häufig genutzt wird, beweist, dass wir es nicht mit ihrer ,Abschaffung’ zu tun haben. Leider zeigen die vielen Verstöße gegen Hygieneauflagen, dass viele, die sich jetzt lautstark in den Vordergrund spielen, keine Verantwortung übernehmen können und wollen. Vielen geht es sowieso nicht um Freiheit: Grundrechte verteidigt man immer gegen, aber nie mit Antisemiten. Diese Botschaft hätte ich gern von Herrn Wöller gehört.“
Montag, der 11. Mai 2020: Nun demonstrieren auch die Gegner der Gegner der Corona-Regeln
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