Eine breite Plattform von Verbänden aus Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft, Tierschutz und Entwicklungspolitik fordert die Landwirtschaftsministerinnen und -minister von Bund und Ländern zu einem grundlegenden Umsteuern auf. Die Coronakrise könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass große Teile der Branche vor tiefgreifenden Veränderungen stünden.
Die Bundesländer müssten daher jetzt die Weichen dafür stellen, die Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik in Deutschland massiv zu ändern, damit die landwirtschaftlichen Betriebe den notwendigen Beitrag zur Lösung der großen Herausforderungen in den Bereichen Klimaschutz und Klimawandel, Umwelt-, Arten- und Tierschutz leisten könnten.
Bisher lege Deutschland bei der EU-Agrarpolitik den absoluten Schwerpunkt ausgerechnet auf pauschalen Flächenzahlungen pro Hektar, ohne zu berücksichtigen, ob die Betriebe auf der Fläche oder im Stall notwendige und gesellschaftlich gewollte Leistungen für Umwelt und Tierwohl erbringen. Dieses System müsse konsequent umgedreht werden, fordern die Plattform-Verbände.
Die Erzeugung von wertvollen Lebensmitteln müsse sich für die Betriebe am stärksten rechnen, wenn sie dabei auch gezielt Maßnahmen etwa zur Förderung von Artenvielfalt, Gewässerschutz und Kohlenstoffbindung im Boden (Humus) ergreifen. Einkommen und Gemeinwohlleistungen sollten sich nicht länger ausschließen, sondern gegenseitig stärken, so die Verbände in einer Mitteilung.
Auf ihrer Frühjahrskonferenz am 8. Mai beraten die Agrarministerinnen und -minister von Bund und Ländern darüber, wie die EU-Agrarpolitik ab dem Jahr 2023 in Deutschland umgesetzt werden soll. Auch wenn die Finanzplanung und die genauen Vorgaben der EU für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) noch nicht ausverhandelt sind, treibt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) die Vorbereitung zur Umsetzung der erwarteten neuen GAP-Regeln weiter voran.
Aus Sicht der Verbände machten die zur Agrarministerkonferenz vorgelegten Dokumente deutlich, dass die Ministerinnen und Minister von Bund und Ländern offenbar den fachlichen Bedarf zum Umsteuern nicht wahrhaben wollten. Stattdessen hielten die Ministeriumsspitzen an der bisherigen Verteilung der Gelder auf die Bundesländer und Betriebe fest. Das sei aber kein fachliches Kriterium, sondern allenfalls Besitzstandswahrung, werfen ihnen die Verbände vor.
Konkret fordern die Verbände:
· Mit den neuen „Öko“-Regelungen (Eco-Schemes) in der 1. Säule (Direktzahlungen) müssen den landwirtschaftlichen Betrieben positiv einkommenswirksame Anreize für möglichst vielfältige sowie anspruchsvolle ökologische Mehrleistungen gegeben werden. Dafür sollten zu Beginn der Förderperiode mindestens 30 Prozent der Fördermittel der 1. Säule bereitgestellt werden, mit steigenden Anteilen in den weiteren Jahren.
· In den Programmen zur Förderung der Ländlichen Entwicklung (2. Säule) sind spezifischere Maßnahmen anzubieten, insbesondere für die Förderung des Ökolandbaus, Vertragsnaturschutz und Tierschutzleistungen. Auch hier fordern die Verbände eine höhere Mittelausstattung und dafür höhere Umschichtungen von Direktzahlungen in diese Maßnahmen der 2. Säule als bisher.
· Die ambitionierten Grundanforderungen (erweiterten Konditionalität) müssen ein flächendeckendes Mindestniveau oberhalb der gesetzlichen Vorgaben sichern (inklusive Dauergrünlanderhalt, Mindestfruchtfolge und Mindestanteil an ökologischen Vorrangflächen).
· Insgesamt sollten 70 Prozent der GAP-Mittel für freiwillige Maßnahmen der Landwirtschaft in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Tierschutz vorgesehen werden. Alle Elemente der so genannten neuen „grünen Architektur“ müssen dafür effektiv und effizient genutzt werden.
Unabhängig von der Umsetzung der EU-Agrarpolitik in Deutschland fordern die Verbände die Bundesregierung und die EU-Kommission auf, sich auf EU-Ebene für einen neuen Anlauf in den Verhandlungen um die zukünftige GAP einzusetzen. Denn die bisherigen Beratungen im Agrarministerrat und im Europäischen Parlament liefen auf eine GAP hinaus, die den Vorgaben des Europäischen Green Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht gerecht werden könnten.
So scheitere die GAP sowohl am Ziel der Klimaneutralität bis 2050 als auch am Ziel, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen und wieder umzudrehen sowie den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und von Antibiotika erheblich zu reduzieren. Auch mit den internationalen Verpflichtungen wie den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) der Vereinten Nationen seien die bisherigen GAP-Pläne unvereinbar, warnen die Verbände. Die langfristigen Krisen müssten gelöst und nicht verlängert und damit noch vergrößert werden.
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 78: Wie Corona auch das Leben der Leipziger verändert hat
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