Zum Tag der Arbeit rufen die IG Metall Geschäftsstellen Dresden und Riesa unter dem Motto „Solidarisch ist man nicht alleine!“ zu mehr Mitbestimmung in den sächsischen Betrieben auf.
„Rund sechs Wochen nach dem sogenannten Shutdown weiter Teile der Deutschen Wirtschaft zeigt sich während der Corona-Krise besonders deutlich, dass Beschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag und einer starken Mitbestimmung klar im Vorteil sind“, sagt Willi Eisele, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Geschäftsstellen Dresden und Riesa. „Das lässt sich insbesondere an den Themen Gesundheitsschutz, Kurzarbeiterregelungen und Kinderbetreuung festmachen.“
„Dort wo keine Betriebsräte die Einhaltung von Arbeits- und Gesundheitsschutz überwachen, nehmen wir erheblich mehr Klagen über mangelnde Hygienemaßnahmen wahr“, so Eisele. „In den letzten Wochen haben wir hunderte von Anfragen von Mitgliedern in Betrieben ohne Betriebsrat telefonisch beantwortet. Dabei haben wir von besonders krassen Missachtungen notwendiger Hygienemaßnahmen gehört.
In gut organisierten und mitbestimmten Betrieben ist es uns hingegen gelungen, Betriebsräte schnell und effizient zu informieren, zu beraten und über Online-Seminare zu schulen. So entstehen auch bei Einhaltung der Mitbestimmung schnell sinnvolle kollektive Regelungen, die sich der einzelne Beschäftigte sonst erst langwierig einklagen müsste.
Beispielsweise fährt die Produktion bei Volkswagen Sachsen, die Gläserne Manufaktur, erst nach der Vereinbarung und Umsetzung von über 100 Sicherheitsmaßnahmen wieder hoch. Die Betriebsräte haben dabei nicht nur die räumliche Entzerrung der Kolleginnen und Kollegen in der Produktion vereinbart, sondern auch ein langsameres Laufen der Bänder in zunächst nur einer Schicht durchgesetzt. Das Ziel ist es auch, die verabredeten und umgesetzten Sicherheitsmaßnahmen Schritt für Schritt zu testen und gegebenenfalls nach zu justieren.“
Zeitgleich bemüht sich die IG Metall um die wirtschaftliche Absicherung der Beschäftigten, die sich in Kurzarbeit befinden. Fast 50 Prozent der von den Geschäftsstellen betreuten Betriebe aus allen Branchen sind hiervon mittlerweile betroffen oder bereiten sich darauf vor. Wichtigstes Anliegen der IG Metall ist es, das Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 beziehungsweise 67 Prozent durch den Arbeitgeber aufstocken zu lassen.
In einigen Betrieben sind diese Aufstockungen tariflich abgesichert, in vielen Fällen müssen sie erst durch Betriebsräte ausgehandelt werden. Wo dies nicht möglich ist, sind die Beschäftigten von gesetzlichen Nachbesserungen abhängig. Die Ortsvorstände der Geschäftsstellen Dresden und Riesa haben Ende März die Bundestagsabgeordneten im Wahlkreis der Geschäftsstellen-Gebiete angeschrieben, um eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes einzufordern.
„Auf bundesweiten Druck – auch der IG Metall – ist jetzt das gesetzliche Kurzarbeitergeld für Beschäftigte zwar erhöht worden, allerdings sind die neuen Regelungen noch lange nicht ausreichend, da sie für viele Beschäftigte zu spät oder gar nicht greifen“, kritisiert Eisele.
Viel Beratung ist aber auch bei anderen Kurzarbeiterregelungen notwendig, hier ist der Bedarf enorm angestiegen. Die IG Metall Geschäftsstellen Dresden und Riesa haben den Betriebsräten kurzfristig Handlungsmöglichkeiten, Schulungen sowie rechtliche Beratungen beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Verfügung gestellt.
„Dieses Angebot wurde von nahezu jedem durch uns betreuten Betrieb in Anspruch angenommen“, so Eisele. „Bei den Elbe Flugzeugwerken ist das Zusammenspiel von tariflichen und betrieblichen Regelungen beispielsweise sehr gut gelungen. Auch wenn der Umfang der anstehenden Kurzarbeit noch nicht absehbar ist, wurde mit einer Betriebsvereinbarung vorgesorgt.
Durch die Umlage von tariflichen Sonderzahlungen wird die Kurzarbeit zunächst einen Monat hinausgezögert und anschließend ist mithilfe eines solidarischen Finanzierungstopfes eine Aufstockung der Nettoentgelte bis Jahresende auf bis zu 100 Prozent möglich.“
„Das Niveau der Kurzarbeit ist insgesamt sehr unterschiedlich, die Arbeitszeitabsenkung ist nur in seltenen Fällen bei 100 Prozent und umfasst oft nicht alle Bereiche eines Unternehmens“, stellt Stefan Ehly, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Geschäftsstellen Dresden und Riesa, fest.
„Die Diskussion über bestimmte Beschäftigtengruppen, die nun besonders aufopferungsvoll für die Allgemeinheit einstehen würden, ist deshalb ein wenig einseitig und wird dem Einsatz vieler hart arbeitender Kolleginnen und Kollegen anderer Branchen nicht gerecht. Es wird des Öfteren der Eindruck erweckt, als würden nur die sogenannten systemrelevanten Berufsgruppen wie Ärztinnen und Supermarkt-Kassierer zur Arbeit gehen – und der Rest befindet sich im Homeoffice und klatscht Ihnen vom Balkon aus zu.
Dabei ist auch in der Produktion bei vielen Arbeitsprozessen beispielsweise die Einhaltung des Mindestabstands gar nicht möglich. Selbst bei penibler Umsetzung aller Arbeitssicherheitsregeln werden die Beschäftigten einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Da ist der Arbeitsweg, der häufig in öffentlichen Verkehrsmitteln oder aus finanziellen Gründen in Fahrgemeinschaften zurückgelegt werden muss, noch gar nicht berücksichtigt.“
Und auch das sogenannte Homeoffice ist häufig problematisch. Zwar helfen auch hier wieder tarifliche Regelungen und eine starke Mitbestimmung, Freistellungsmöglichkeiten beziehungsweise Homeoffice-Vereinbarungen zu organisieren. So gibt es bei den Schmiedewerken Gröditz nun eine Vereinbarung, dass eine in der letzten Tarifrunde geregelte Sonderzahlung von Eltern in freie Tage zur Kinderbetreuung gewandelt werden kann.
„Für die Mehrzahl der betroffenen Eltern ist der jetzige Zustand dennoch nicht dauerhaft hinnehmbar. Kinderbetreuung und voll arbeiten – auch im Homeoffice – funktioniert nicht, insbesondere mit kleinen Kindern. Wir brauchen für diese Beschäftigten flexible Lösungen in den Arbeitszeitmodellen und weitere Nachbesserungen im Infektionsschutzgesetz“, ergänzt Ehly.
„Gute Regelungen sind nur mit einer starken IG Metall, die in den Betrieben fest verankert ist, möglich. Solidarisch ist man nicht alleine. Wenn wir zusammenhalten, ist alles möglich“, so die Bevollmächtigten Eisele und Ehly.
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 78: Wie Corona auch das Leben der Leipziger verändert hat
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